Wie tickt König Kunde? Was geht vor im Oberstübchen seiner Majestät? Das sind Fragen, die Marketingexperten, Marktforscher und Werbestrategen naturgemäß umtreiben. Denn während sich seine königliche Hoheit in Umfragen und Marktstudien gerne rational gibt, zeigen seine wahren Kaufgewohnheiten am POS etwas ganz anderes: Er handelt irrational, schlägt ohne nachzudenken zu und kann hinterher nicht einmal sagen, wie es dazu kam. Seit einigen Jahren in aller Munde, versucht sich das Neuromarketing in Antworten auf die Frage, warum wir kaufen, was wir kaufen. Doch bringt der Blick ins Konsumentenhirn tatsächlich die erhofften Erkenntnisse?

WerbenmitKöpfchen1 - Werben mit Köpfchen

 Neulich nach der Shoppingtour beim Sichten der Beute: Huch, was ist das denn? Was hast du dir denn dabei gedacht? Verwundert betrachte ich das weiße Sommerkleidchen, das ich soeben im Schlussverkauf erstanden habe. Gedacht? Ich? Wieso? Na, es ist weiß mit rosa Blümchen und ist es nicht auch etwas klein? Hm, tatsächlich. Da pass ich ja gar nicht rein und dann diese Blümchen… Ja, was hab ich mir dabei gedacht? Meine eigene Kaufentscheidung gibt mir Rätsel auf. Und das ist eigentlich gar kein Wunder, denn wie man allgemein annimmt, werden 85% aller Entscheidungen vom unbewussten Teil des Gehirns getroffen – um nicht zu sagen: aus dem Bauch heraus. Die treibende Kraft dabei sind – ähnlich wie bei der Partnerwahl – die Emotionen. Und die geben nicht zuletzt den Werbepsychologen Rätsel auf bei der Frage, wie man ein Produkt bzw. eine Marke im Bewusstsein des Käufers verankert. Denn ohne Gefühl geht es nicht, und das zu erforschen, ist gar nicht so leicht. Als ungenügend erweisen sich die Antworten, die die Marktforschung liefert. Sämtliche Befragungen und Gruppendiskussionen laufen ins Leere, da sich die gegebenen Antworten und das gezeigte Kaufverhalten zu widersprechen scheinen. Mit verheerenden Folgen: 80% der neu eingeführten Produkte scheitern, obwohl vor ihrer Einführung intensiv Marktforschung betrieben wurde. Summa summarum sind das jährlich etwa 20.000 Artikel, die schon nach kurzer Zeit wieder vom Markt verschwinden – laut GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) ein Verlust von 10 Mrd. Euro im Jahr. Lügt der Befragte, oder was ist da los? Keine Angst, das tut er nicht, er weiß es nur nicht besser – König Kunde ist satt, um nicht zu sagen übersättigt. Viele Produkte, Marken und Botschaften kann er gar nicht mehr voneinander unterscheiden. Kein Wunder bei einer erschlagenden Angebotsvielfalt und durchschnittlich 3.000 Werbebotschaften, denen er sich täglich ausgesetzt sieht. Er sagt dann bei der Befragung, was die Forscher hören wollen, und am POS entscheidet er spontan, ohne selbst so recht zu wissen, warum. Gedankenlesen müsste man können. Geht nicht? Vielleicht ja doch!

Auf Spurensuche im Käuferkopf

Hoffnung verspricht das Neuromarketing, eine noch recht junge Wissenschaft, die – quasi als „Fenster“ zum menschlichen Gehirn – wissenschaftliche Erkenntnisse der Hirnforschung und der Psychologie für das Marketing verbindet und damit den Schlüssel zum Kaufauslöser im Gehirn liefern soll. Martin Lindstrom nennt diesen Fachbereich pointiert „Buyology“. Er soll die Wirkung von Marken und Markenkommunikation objektiv entschlüsseln, Aufschluss darüber geben, wie Marken besser im Bewusstsein verankert werden können und die subtile Wirkung von Werbung auf unser Unterbewusstsein sichtbar machen. Schummeln ist hier nicht drin, denn die fMRT (funktionelle Magnetresonanztomographie) macht auch unbewusste Abläufe wie z.B. die Gedächtnisprozesse im Gehirn sichtbar. Dazu werden Probanden an einen Hirnscanner, fachsprachlich: Kernspintomograph, angeschlossen, der die Aktivität der verschiedenen Gehirnareale über magnetische Schwingungen sichtbar macht. Hirnforscher sehen dabei, welche Bereiche im Gehirn beim Anblick bestimmter Marken, Logos, Gesichter oder Produkte reagieren. Das Ergebnis: popartlich anmutende Bilder vom Oberstübchen, geschmückt mit dekorativen Farbflecken. Eine Aktivität im Nucleus accumbens, dem sogenannten Belohnungszentrum, deutet z.B. auf ein Gefühl des Haben-Wollens und ein damit einhergehendes Glücksgefühl hin. Rabattschilder z.B. bringen das Belohnungszentrum auf Touren. Grundsätzlich geht man davon aus, dass starke Marken die vier Bereiche der kognitiven Aktivität – Wahrnehmung, Erinnerung, Gefühle und das individuelle Wollen – ansprechen und daher erfolgreicher sind und besser erinnert werden als andere Marken. Der Kunde kauft, weil in ihm positive Assoziationen und Erinnerungen wachgerufen werden. Produkte und Marken, die keine Emotionen auslösen, sind für das Gehirn schlicht wertlos und bleiben nicht in Erinnerung.

Gedämpfte Euphorie

Zunächst schien das Neuromarketing bahnbrechende Erkenntnisse bei der Suche nach dem Kaufauslöser schlechthin zu versprechen. Mittlerweile hat man sich jedoch von der Hoffnung verabschiedet, auf diesem Wege den „gläsernen“ Kunden oder einen „Kaufknopf“ im Gehirn ausmachen zu können, denn das vermag das Neuromarketing nicht zu leisten. Mit 100 Milliarden Nervenzellen, die durch etwa 100 Billionen Synapsen eng miteinander verbunden sind, erweisen sich die Abläufe im Gehirn bis hin zur Kaufentscheidung als einfach zu komplex. Und eine Aktivität im Belohnungszentrum ist kein Garant dafür, dass der Kunde im Geschäft dann auch zugreift. So ist der „Neuro-Hype“ zwar mittlerweile verflogen, aber die Erkenntnisse des Neuromarketings, wie wir Informationen und Emotionen verarbeiten, bieten wichtige Anhaltspunkte für Promotions, die ins Bewusstsein vordringen.

Mit Haptik ins Hirn

So weiß man dank des Neuromarketings, dass visuelle Eindrücke wesentlich besser haften bleiben, wenn sie mit einem anderen Sinneseindruck verbunden werden. Während über das Auge ca. 20 bis 30% der Informationen aufgenommen werden, erhöht sich in Kombination mit z.B. einem Jingle die Aufnahme auf 40 bis 50%. Kommt jetzt noch der Tastsinn hinzu, liegt die Quote bei stattlichen 80 bis 90%. Und hier und jetzt schlägt die große Stunde des Werbeartikels als haptisches Marketinginstrument, das nicht flüchtig ist wie ein Spot oder Jingle, sondern mitunter jahrelang im Besitz des Empfängers verbleibt und so über eine extrem lange Kontaktzeit im Vergleich zu anderen Werbemedien verfügt. Beim Überreichen stellt er als Türöffner den persönlichen Kontakt zum Kunden her und vermittelt ein Gefühl der Wertschätzung. Immer wieder wird er in die Hand genommen und erfreut im täglichen Gebrauch mit praktischem Nutzen. Darüber hinaus vermag er aufgrund seiner Haptik auch abstrakte Sachverhalte, Service- oder Dienstleistungen be-greifbar zu machen. Werbeartikel wecken Emotionen und verankern so eine beworbene Marke oder ein Produkt fest im Bewusstsein des Empfängers. Sie erzeugen Bilder im Kopf und manchmal ganze Geschichten. Damit werden sie Teil unserer Entscheidungsprozesse und beeinflussen unser Kaufverhalten. Apropos Kaufverhalten: Jetzt kann ich mir auch erklären, wie mir das weiße Kleid in die Tüte gekommen ist. Als ich das Kleid angefasst habe, regte sich im parietalen Großhirn – dem Zentrum fürs Tasten und Fühlen – eine Erinnerung. Und zwar an meinen Lieblingsschlafanzug, den ich als Kind so lange getragen habe, bis er auseinanderfiel. Ganz weich war der. Und die rosa Blümchen klopften im hinteren okzipitalen Lappen an, da nämlich wo das visuelle Zentrum sitzt. Oma hatte eine Tischdecke mit rosa Röschen. Immer sonntags servierte sie uns ihre exzellenten Rouladen auf eben jener Tischdecke. Nostalgische Erinnerungen stecken also hinter meiner ominösen Kaufentscheidung. Nun ja, vielleicht kann ich mir ja einen schönen weichen Kissenbezug aus dem Kleid nähen und träume dann jede Nacht von Omas Rouladen. Das wär schön!

// Julia Kuschmann

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