Längst ist Nachhaltigkeit mehr als nur ein Trend – das Thema ist im Mindset des Mainstreams angekommen. Immer mehr Unternehmen richten ihre Herstellungsprozesse und Produkte nach umweltfreundlichen und gerechten Standards aus. Auch in der Textilbranche steht eine zukunftsfähige Entwicklung, die ökonomische, ökologische und soziale Aspekte gleichermaßen berücksichtigt, immer mehr im Fokus. Robin Cornelius, Gründer der Schweizer Textilmarke Switcher, ist schon seit zwei Jahrzehnten in Sachen Nachhaltigkeit unterwegs. Der Pionier über Produkttransparenz, Peanuts und Partnerschaften.

peantus - „Die Kosten für Nachhaltigkeit sind Peanuts“

Herr Cornelius, freut es Sie, dass immer mehr Unternehmen in der Textilbranche auf Nachhaltigkeit bzw. Corporate Social Responsibility setzen?

Robin Cornelius: Natürlich freut mich das, auch wenn das Engagement an vielen Ecken opportunistisch ist. Insbesondere die großen Unternehmen agieren im Bereich Nachhaltigkeit zunächst einmal strategisch. Sie wollen ihren guten Ruf nicht verlieren. Für mich kommen die wahren Pioniere einer nachhaltigen Entwicklung aus dem Mittelstand. Aber wenn in zwanzig Jahren jede dritte Firma wie Switcher agieren wird, dann bin ich sehr zufrieden. Denn das würde bedeuten, dass sich jedes dritte Unternehmen verantwortlich verhält.

Was tut Switcher konkret?

Robin Cornelius: Transparenz und Respekt sind die Grundwerte unserer Philosophie. Für unsere Produktion verwenden wir bevorzugt erneuerbare und umweltfreundliche Materialien so wie Biobaumwolle oder recyceltes PET. Und wir garantieren gute Arbeitsbedingungen über den gesamten Produktionsprozess. Zahlreiche Zertifikate wie „Fairtrade – Max Havelaar“ für fair gehandelte Baumwolle oder „Oeko-Tex Standard 100“ und „GOTS“ unterstreichen das.

Lassen sich Cashflow und gutes Gewissen tatsächlich so problemlos unter einen Hut bringen?

Robin Cornelius: Es kostet nicht viel, sich sozial und ökologisch respektvoll zu verhalten. Es kommt nur darauf an, wie Faktoren wie Rohstoffe, Qualität, Löhne, Transport, Werbung und Margen gewichtet werden. Große Unternehmen sind z.B. häufig von Trends getrieben: Um T-Shirts in einer neuen Trendfarbe schnell zu liefern, werden diese im Flugzeug transportiert. Das kostet enorm viel Geld und ist im Hinblick auf den CO2-Ausstoß eine Katastrophe. Auch die Ausgaben für das Marketing sind zumeist recht hoch.
Wir investieren stattdessen lieber in Maßnahmen, die CO2 und Wasser einsparen. Statt teure TV-Spots und Anzeigen zu schalten, setzen wir uns auf Konferenzen inhaltlich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander. Das hat uns in der Schweiz einen Bekanntheitsgrad von 90% gebracht. Das heißt: Entscheidend ist, wie man Dinge tut. Es geht um eine langfristige Vision. Die Kosten für Nachhaltigkeit sind Peanuts.

Beim Thema Nachhaltigkeit ist man schnell auch bei der wachsenden Zielgruppe der Lohas, die dem Wergwerfkonsum abschwören und sich verantwortungsbewusst verhalten. Merken Sie, dass sich hier etwas im Bewusstsein der Kunden verändert?

Robin Cornelius: Nachhaltigkeit ist zu einem Lifestyle geworden. Die Lohas sind nicht unbedingt Aktivisten, doch sie haben ein politisches Bewusstsein, nach dem sie in ihrem Alltag handeln. Jeder Konsument trifft bei jedem Kauf eine Entscheidung. Er entscheidet sich für eine bestimmte Herstellungsweise, für einen bestimmten Transportweg und für ein bestimmtes Unternehmen. Ich bin überzeugt, dass die Ökobilanz hier am Ende zählt – das zeigen auch unsere Verkaufserfolge mit jährlich zwischen vier und fünf Millionen verkauften Textilien.

In den 1980er- und 1990er Jahren zeichneten sich Ökotextilien noch durch grobe Hanffasern und schlechte Schnitte aus. Muss man als Kunde heute noch Zugeständnisse machen, wenn man sich für Bio entscheidet?

Robin Cornelius: Wenn ein Apfel damals keinen Wurm hatte, dann war es kein Bio-Apfel. Heute sehen Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft perfekt aus. Das gilt für viele Bereiche – von Nahrungsmitteln über Elektro- und Hybridautos bis hin zur Mode.
Bei Textilien ist es heute wichtig, dass sie schön, bezahlbar und Bio sind. Bei der Verwendung von Bio-Baumwolle kann es allerdings zu leichten Farbschwankungen kommen. Wenn also z.B. ein Fußballclub seine T-Shirts immer in demselben Rotton haben möchte, dann müssen wir auf konventionelle Baumwolle ausweichen.

Zahlreiche Gütesiegel und Label machen es sowohl Endkonsumenten als auch Unternehmen, die Corporate Fashion einsetzen wollen, schwer, den Durchblick zu bewahren. Wie kann man sich hier orientieren?

Robin Cornelius: Bei einem Produkt wie einer Banane ist es noch recht einfach, seine Ökobilanz zu bewerten. Wenn es jedoch um Konsumgüter geht, die in einem komplexen Produktionsprozess hergestellt werden, wird das schon schwieriger. Wie bewerte ich es z.B., wenn ein T-Shirt zwar aus Biobaumwolle hergestellt wird, Einfärber und Spinner dafür aber nur Hungerlöhne bekommen. Für eine solche Beurteilung brauche ich absolute Transparenz. Deshalb haben wir 2006 den so genannten „Respect-Code“ eingeführt, der alle Informationen zum Produkt speichert. So können Kunden über unsere Internetseite alles über das Produkt erfahren.

Welche Informationen werden hier zugänglich gemacht?

Robin Cornelius: Wir dokumentieren den gesamten Prozess – von der verwendeten Baumwolle über Spinnerei, Weberei und Färberei bis hin zur Konfektion. Man kann die Namen, Standorte und Zertifizierungen der Produktionsstätten einsehen. Außerdem werden der H20- und der CO2-Index aufgeführt, die den Verbrauch an Wasser bzw. den CO2-Ausstoß während des gesamten Herstellungsprozesses angeben.
Wenn man so vorgeht, ist auch kein „Green Washing“ mehr möglich. Kleine Bemühungen lassen sich nicht mehr als großes grünes Engagement verkaufen. Das ist meines Erachtens der einzige Weg: Alle Produkte müssen durchgehend rückverfolgbar sein. Das gilt für soziale und ökologische Bedingungen und sollte eines Tages auch für ökonomische Faktoren wie z.B. die Transparenz der Margen gelten. Denn erst dann können Unternehmen, die Corporate Wear einsetzen wollen, eine fundierte Entscheidung treffen.

Die „Erklärung von Bern“ (EvB), eine unabhängige Schweizer NGO, hat 2012 eine Umfrage unter Schweizer Berufsbekleidungsunternehmen veröffentlicht. Dabei ging es um die Einhaltung von Arbeitsrechten. Obwohl hier nur die grundlegendsten Rechte abgefragt wurden, schnitten die meisten Unternehmen recht schlecht ab. Switcher wird dagegen in allen Bereichen positiv bewertet. An welchen Sozialstandards orientieren Sie sich?

Robin Cornelius: Wir sind seit 2006 Mitglied der Fair Wear Foundation und haben dementsprechend auch den FWF-Verhaltenskodex verabschiedet. Dazu gehören u.a. ein Verbot von Kinderarbeit und ein existenzsicherndes Erwerbseinkommen, das den Grundbedarf der Arbeiter und ihrer Familie deckt und darüber hinaus zusätzlich frei verfügbares Einkommen übrig lässt. Dazu beschränkt der Verhaltenskodex die wöchentliche Arbeitszeit auf 48 Stunden pro Woche, plus 12 möglicher Überstunden, die nur gelegentlich geleistet und mit dem üblichen Zuschlag abgegolten werden müssen. Und natürlich ist auch die Kontrolle geregelt und was passiert, wenn Verstöße gegen den Kodex festgestellt werden.
Der FWF-Auditbericht 2011 weist uns z.B. darauf hin, dass die Resultate bei der Bekämpfung von Überstunden und bei der Umsetzung des Lohns über die gesamte Zulieferkette noch nicht befriedigend sind.

Ist eine Kontrolle bis in die hinterste Nähstube überhaupt möglich?

Robin Cornelius: Natürlich kann man nicht in jeder Sekunde wissen, wer was macht. Uns kommt jedoch zugute, dass wir mit den meisten unserer rund 20 Lieferanten schon seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Wir streben langfristige Partnerschaften an, und das wirkt sich auch auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen aus. Darüber hinaus führt die FWF in den Fabriken regelmäßig unabhängige Audits durch, die überprüfen, ob Maßnahmen greifen.
Anderseits müssen wir unsere Partner inzwischen nicht mehr davon überzeugen, dass dies der richtige Weg ist. Denn unsere Website fungiert wie ein Schaufenster, das den Lieferanten, die sich hier profilieren, die Tür für neue Kunden öffnet.

2005 haben Sie angefangen eine Bio-Kollektion aufzulegen. Inzwischen stammen rund 11% der Baumwollartikel aus Biobaumwolle, 14% der Polyesterartikel sind aus recyceltem PET. Ist hier ein Ausbau geplant?

Robin Cornelius: Wir passen unsere Kollektion in dieser Hinsicht sukzessive an. Z.B. werden wir 2013 in unserer „Never out of Stock“-Kollektion 94 Modelle anbieten –  davon sind 35 aus Biobaumwolle und 14 aus PET. Das heißt 52% dieser Kollektion werden im kommenden Jahr schon aus umweltfreundlichen Materialien sein.

Welche Ziele haben Sie darüber hinaus?

Robin Cornelius: Ich möchte, dass unsere Textilien möglichst lange getragen werden. Deshalb lautet mein Ziel: Mehr Kunden sollen weniger Produkte kaufen. Während man bei einem Joghurt kritisch auf das Verfallsdatum guckt, sollte es bei uns genau umgekehrt sein: Je älter das Produkt wird, desto besser. Denn es zeigt, wie smart, sprich nachhaltig, sich sein Träger verhält.

www.fondationswitcher.org
www.switcher.ch
www.respect-inside.org

 

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