Der Point of Sale beeinflusst, wie sich Kunden verhalten und was sie kaufen. Werbeartikel sind hier ein entscheidendes Moment. Gernot Lingelbach über die vielfältige Welt des POS-Marketings, die Wirkung mannshoher Plüschhasen und die Wucht von Schaumküssen.

POS - „Ohne Zugabe lässt sich manches Produkt nicht mehr verkaufen“

 

Herr Lingelbach, es heißt, dass rund zwei Drittel aller Einkaufsentscheidungen am POS fallen. Lässt sich das tatsächlich so pauschal sagen?

Gernot Lingelbach: Zumindest geben rund 50% der Kunden im LEH an, dass sie mehr eingekauft haben, als ursprünglich geplant war. Bei der Analyse der Einkaufsentscheidung muss man jedoch stark differenzieren: Handelt es sich um eine Warengruppe, z.B. Obst, oder um ein ganz konkretes Produkt, z.B. einen Joghurt von Bauer oder Ehrmann.
Einkäufe aus der ersten Kategorie haben die meisten Shopper bereits vor Betreten des Marktes geplant. In der zweiten Kategorie passiert am POS mehr. Die Einkaufsentscheidung für die Marke findet sehr häufig vor Ort statt – sofern es sich hier nicht gerade um eine Kategorie mit sehr hoher Kundenloyalität handelt wie z.B. Zigaretten, Windeln oder Babynahrung. Bei Produkten, die sehr impuls- bzw. preisgetrieben gekauft werden – Molkereiprodukte, Süßwaren, Snacks oder Getränke –, fällt die Kaufentscheidung in der Tat sehr häufig erst am Point of Sale.
 

Dort bleiben Marken und Produkten nur wenige Sekunden, um die Aufmerksamkeit des Kunden zu generieren und einen Kaufimpuls auszulösen. Wie gelingt so etwas?

Gernot Lingelbach: Es gibt ein paar Prinzipien, die gute POS-Werbung erfüllen sollte. Erstens, die markenrelevanten Botschaften – die man aus der klassischen Werbung kennt – müssen sehr schnell erkennbar sein: Signet, Schriftzug, Farben und Formen. Zweitens, mit einfachen Worten muss man schnell auf den Punkt kommen: Z.B. „50% mehr Inhalt“.
Drittens, mit einem guten Argument die Kaufbarriere überwinden. Der Kunde muss unmittelbar begreifen, was ihm das Angebot oder Produkt bringt: Z.B. „Pampers – jetzt mit extrasaugfähigen Zonen“.
 

Welche Entwicklungen haben das POS-Marketing in den letzten Jahren geprägt?

Gernot Lingelbach: Es hat eine starke Handelskonzentration stattgefunden. Statt mit 20 Playern haben wir es heute national nur noch mit etwa der Hälfte zu tun. Und für diese versuchen wir maßgeschneiderte Konzepte zu entwickeln.
Auf der anderen Seite wird auch das Thema Shoppermarketing immer wichtiger. Hier wird nicht nur der Konsument betrachtet, der zu Hause den Joghurt löffelt, sondern auch der Käufer, der ihn am POS in den Wagen legt. Das können unter Umständen nämlich zwei verschiedene Personen sein.
In diesem Zusammenhang geht es z.B. um die Frage, in welcher Einkaufsmission der Kunde unterwegs ist. Ist das ein budgetbewusster Shopper, der jeden Tag einkaufen geht? Oder ist das ein Kunde, der vornehmlich am Wochenende in den Supermarkt geht und sich dann hauptsächlich Spezialitäten in den Einkaufswagen legt.
Das heißt, es geht immer darum: Wie kann ich in welchem Handelsoutlet welchen Shopper auf welcher „Shopper Journey“ abholen.

Neben der visuellen Kommunikation wird im Marketing inzwischen auch verstärkt auf andere Sinne wie Haptik oder Akustik gesetzt. Ein Heimspiel für den POS?

Gernot Lingelbach: Das Thema war schon immer wichtig und bleibt es auch. Je (be-)greifbarer eine Mechanik am POS arbeitet, desto niedriger die Verkaufshürde. Immens wichtig ist das im Frischebereich.
Im LEH haben die Händler auf die Forderung nach heller, freundlicher, durch Farben, Formen und Licht unterstützte Einkaufsatmosphäre reagiert. Zahlreiche gelungene Beispiele zeigen das: Appetit anregende Warenpräsentationen mit zum Teil sehr kreativen Dekorationen, gut gemachte Kundenleitsysteme und Liebe zum Detail bei der Materialauswahl von Böden, Decken, Regalsystemen usw. bei Vertriebsschienen wie Hit, Edeka oder Rewe.
Dennoch bleibt der wichtigste Punkt die Arbeit an den „Hygienefaktoren“, die über den Outletbesuch der Shopper signifikant mitentscheiden: die Sauberkeit des Marktes und die Frische der Produkte. Auch sollte z.B. darauf geachtet werden, dass geruchsintensives Leergut nicht in geruchlicher Nähe zum Food-Sortiment zu finden ist. Wenn der halbe Supermarkt nach alten Bierflaschen riecht, ist dies der Multisensorik entschieden zu viel.

Welche Rolle spielen Verpackungen, vor allem Sonderverpackungen, bei der Kaufentscheidung?

Gernot Lingelbach: Wenn wir Kunden in unserer jährlichen Studie fragen, worauf sie am POS besonders reagieren, dann nennen sie an erster oder zweiter Stelle immer das Thema Sonderverpackungen, Special Editions. Ein sehr gutes Beispiel hierfür sind die Blechdosen für die Prinzenrolle von de Beukelaer, die seinerzeit eine hohe Begehrlichkeit beim Konsumenten ausgelöst haben. Leider sind solche Aktionen oft recht teuer, vieles muss händisch verpackt werden. Ansonsten würde man solche Dinge mit Sicherheit noch viel häufiger sehen, da sie für die Verkaufsförderung sehr gut arbeiten.

Nicht zu vergessen: Viele der Dosen stehen für eine lange Zeit im Blickfeld des Kunden und werben für das Unternehmen …

Gernot Lingelbach: Das stimmt. Aber diesen langfristigen Effekt kann der Vertriebsleiter oder Marketingdirektor an seinen Quartalszahlen leider nicht ablesen.

Neben Sonderverpackungen bietet der Point of Sale weitere Einsatzmöglichkeiten für den Werbeartikel. Was sind die wichtigsten?

Gernot Lingelbach: Eigentlich können Werbeartikel beinahe überall eingesetzt werden, wo es um mehr geht als um Übergrößen oder Aktionspreise. Als On- und Inpacks, bei Gewinnspielen, als Prämien für Sammel- und Treueaktionen oder als Zugabe bei Personalpromotions. Und natürlich spielen sie auch als Incentives für den Außendienst und den Handel eine Rolle. Nicht zu unterschätzen sind Werbeartikel auch als Dekorationsartikel von Zweitplatzierungen. Ich denke da z.B. an einen mannshohen goldenen Plüschhasen von Lindt, der auf die Platzierung gebaut wurde und anschließend im Handel verlost wurde.

Stichwort: Zugabeartikel. Was wird hier im Handel eingesetzt?

Gernot Lingelbach: Das kommt natürlich ganz auf die Warengruppe an. Im Getränkebereich gehört das Glas zu den Klassikern, neben weiteren komplementären Produkten wie Flaschenöffnern oder Untersetzern. Der Minitruck ist dagegen fast von der Bildfläche verschwunden. Vor ein paar Jahren war er hier noch das Giveaway schlechthin.
Bei Kinderprodukten, vor allem Magazinen, kommen oft Gimmicks zum Einsatz: z.B. ein Geheimtresor oder ein Zauberstift. Beliebt sind außerdem Merchandisingprodukte von „Harry Potter“ oder „Die drei ???“, die als Zugabe heruntergebrochen werden.

Gerade bei den Kindermagazinen hat man den Eindruck, dass kaum noch ein Heft ohne regelmäßige Onpacks auskommt.

Gernot Lingelbach: Es ist noch härter. Eine Studie von uns zeigt, dass die Zugabe ausschlaggebend dafür ist, ob die Zeitschrift gekauft wird oder nicht. Einige Unternehmen machen sich damit extrem abhängig. Im Markenartikelbereich hat das u.a. Kellogg’s mit seinen Cerealien erlebt: Ohne Zugabe lässt sich hier manches Produkt nicht mehr verkaufen.

Wovon hängt der Erfolg solcher Zugaben ab?

Gernot Lingelbach: Das Premiumkriterium ist die Begehrlichkeit. Außerdem muss die Zugabe relevant sein, und sie muss zum Produkt und seiner Positionierung passen.
Auch die Qualität der Werbeartikel sollte nicht vernachlässigt werden. Bei meinen Kindern habe ich schon oft erlebt, dass das Onpack, z.B. eine Wasserspritzpistole, nach einmaligem Gebrauch kaputt war. Zu einem Mickey Mouse-Heft mit wertigem Content passt das nicht. Da kann der Schuss dann schon einmal nach hinten losgehen.

Fällt Ihnen ein Beispiel aus dem Bereich der Zugaben ein, wo alles richtig gemacht wurde?

Gernot Lingelbach: Die Aktion „Paulaner Cup des Südens“ war eine ziemlich gelungene Aktion. Hierfür hat Paulaner Fans gecastet. Die Gewinner des Castings bekamen die Gelegenheit, gegen die Stars des FC Bayern München zu spielen. Zu dieser Aktion brachte die Biermarke ein sehr gut gemachtes Fanpaket in den Handel: vier Flaschen Hefeweißbier und eine Flasche alkoholfrei plus einem Ball mit Fotos und Autogrammen von sieben Spielern des FC Bayern München. Besonders clever: Der Ball war schon von außen gut sichtbar.
Manchmal sind es aber auch die ganz einfachen Dinge, die wirken. Z.B. verteilt das Handelsunternehmen Globus einmal jährlich zum „Globiläum“ Schaumküsse an seine Kunden. In einem Jahr ließ das Unternehmen diesen Cent-Artikel weg und verursachte damit einen Sturm der Entrüstung. Das zeigt: Oft zählt vor allem die Geste und gar nicht so sehr der Wert des Werbeartikels.

Auch Sammelkarten-Aktionen erfreuen sich ungebrochener Popularität. Ist das ein Dauerbrenner, der immer funktioniert?

Gernot Lingelbach: Diese Mechaniken arbeiten wirklich ausgezeichnet – wenn man die richtigen Themen auswählt und diese konsequent besetzt, so wie das Rewe in den letzen Jahren vorgemacht hat. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die Liebe zum Detail und die Wertigkeit von Sammelkarten & Co. Denn auch Kinder spüren, wenn sie etwas qualitativ Gutes in den Händen halten.

Beliebt sind auch Prämien- bzw. Treueaktionen. Wie sieht so etwas gut gemacht aus?

Gernot Lingelbach: Z.B. hat Procter & Gamble zu den Olympischen Spielen die Aktion „Danke Mama!“ aufgesetzt. Das war eine sehr emotionale Kampagne, die darüber hinaus auch noch sehr vernetzt gearbeitet hat. Dazu wurden TV-Spots produziert, in denen P&G den Müttern dankt, die hinter den Erfolgen der Athleten stehen. Parallel dazu haben wir die Aktion am POS begleitet. Für jedes Produkt, das gekauft wurde, gab es entsprechende Sammelpunkte, die dann in Dankeschön-Prämien eingetauscht werden konnten, darunter eine Sporttasche, das offizielle Trikot und ein Strandtuch in den Deutschlandfarben.
Das war bislang die erste Kampagne des Unternehmens, an der sich alle Marken beteiligt haben. Im Handel hat die Aktion durch starke Präsenz und gute Präsentation der Prämien überzeugt.

Wie werden die Prämien generell ausgewählt?

Gernot Lingelbach: Bei Procter & Gamble gibt das Thema natürlich viel vor. Wenn es um Sport geht, wäre es verwegen, keine T-Shirts oder Sporttaschen im Prämienprogramm zu haben.
Andernfalls gibt es eine allgemeine Präferenzpyramide. An deren Spitze stehen u.a. Töpfe und Pfannen. Danach folgen Bestecke und Gläser, dann Handtücher. Eigentlich sollte man meinen, dass sich diese Dinge irgendwann abnutzen, doch sie funktionieren nach wie vor gut. Unsere Studien bestätigen, dass rund 30% der Kunden genau wegen solcher Treueaktionen bei einem bestimmten Händler einkaufen.

Ein weiteres Tool der Verkaufsförderung ist die Personalpromotion, die häufig mit Zugaben arbeitet. Sie ist sehr direkt und persönlich, aber auch sehr kostenintensiv …

Gernot Lingelbach: Das ist in der Tat ein Problem. Wenn man Kosten und Nutzen bei dieser Mechanik vergleicht, erhält man häufig eine negative Bilanz. Für einen Tiefkühlanbieter haben wir jedoch einmal die Markenloyalität überprüft. Dabei hat sich gezeigt, dass diese bei Kunden, die an einer Personalpromotion teilgenommen haben, wesentlich höher ist – selbst nach sechs und sogar zwölf Monaten.
Davon abgesehen kann man mit solchen Aktionen gut abverkaufen. Bei den meisten Produkten haben wir eine so genannte Conversion Rate von 40 bis 50%. Das heißt, beinahe jeder Zweite, der angesprochen wird, kauft das Produkt. Das hat nicht zuletzt mit der Reziprozität, dem Prinzip der Gegenseitigkeit, zu tun. Gibst du mir etwas, gebe ich dir etwas. Das ist auch der Grund, warum die andere Hälfte der Kunden einen Bogen um die Promotionteams macht.

Für welche Ziele lassen sich Gewinnspiele nutzen?

Gernot Lingelbach: Gewinnspiele, die z.B. über einen Code mit dem Produktkauf gekoppelt sind, haben einen gewissen Abverkaufseffekt. Auch wenn dieser natürlich geringer ist als bei einer Zugabe, wo man garantiert sofort etwas bekommt.
Bei Gewinnspielen mit Teilnahmekarte geht es dagegen primär um den Imageeffekt. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Biermarke Jever, die im Sommer eine Harley Davidson verlost hat, die optimal zu den Markenattributen passt und als Preis eine hohe Begehrlichkeit ausgelöst hat.

Gibt es bei den Gewinnen eine Art Prioritätenliste?

Gernot Lingelbach: Am besten funktionieren Geldgewinne, gefolgt von Sachpreisen wie Häusern, Autos und Reisen. Danach kommt alles andere. Entsprechend gut angekommen ist z.B. die Aktion „Knorr Haushaltsgeld“ von Unilever.
Als Unternehmen muss man entweder hochpreisige Gewinne ausloben oder aber Dinge, die man für Geld nicht kaufen kann wie z.B. ein VIP-Ticket mit Kabinenbesuch der Deutschen Nationalmannschaft. Und natürlich sind auch Trendartikel wie die E-Bikes oder Apple-Produkte interessant.

Mit welcher Mechanik bzw. welchem Einsatz von Werbeartikeln kann man unterm Strich am meisten erreichen?

Gernot Lingelbach: Zugaben arbeiten wunderbar. Durch unsere Studien wissen wir, dass Zugaben bessere Resultate erzielen als z.B. Gewinnspiele, Coupons oder Sammelaktionen. Denn sie wirken sehr direkt und unmittelbar. Gerade bei Personalpromotions sind sie gut dazu geeignet, die letzte Kaufhürde zu überwinden. Das ist ähnlich wie bei den Marktschreiern, die auf das eigentliche Produkt immer noch etwas drauflegen.
Eine gute Zugabeaktion wie z.B. die rote Kaffeetasse für Nescafé kann einen sehr spürbaren Uplift erzielen.

Würden Sie sagen, dass das Potenzial von Werbeartikeln am POS schon ausgereizt ist?

Gernot Lingelbach: Hier gibt es auf jeden Fall noch Luft nach oben. Viele Unternehmen würden gerne mehr machen. Doch in Zeiten knapper Budgets und starker Handelsmarken fällt dieses Thema allzu oft dem Kostenschnitt zum Opfer. Das heißt, das Potenzial wird gesehen, aber es fehlen die finanziellen Möglichkeiten.

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