Mit mehr als 200 Mrd. Euro Umsatz im Jahr gehört das Agribusiness zu den großen Branchen der deutschen Volkswirtschaft, auch wenn die gesellschaftliche Wahrnehmung oft eine andere ist. Peter Pochmann, Geschäftsführer c.i.a. green communications, über Marketingstrategien, wegweisende Mähdrescher-Marken und Melkschürzen für Merchandising.

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Herr Pochmann, wo liegen die Agenturschwerpunkte von c.i.a. green?

Peter Pochmann: Wir sind auf die Inszenierung von erklärungsbedürftigen Produkten und Dienstleistungen im Agribusiness spezialisiert, auf hochkomplexe Inhalte, bei denen es mit Slogans wie „Mars macht mobil“ nicht getan ist. Unser Service reicht von Markt- und Motivforschung über marketing-, vertriebs- und kommunikationsstrategische Beratung bis hin zur Kampagnenentwicklung und Erfolgskontrolle.

Welche Wirtschaftssektoren fallen unter den Begriff „Agribusiness“?

Peter Pochmann: Neben der Landwirtschaft sind das die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche, die gemeinsam eine Wertschöpfungskette bilden. Zu den vorgelagerten Bereichen gehören alle Unternehmen, die etwas in die Landwirtschaft hinein verkaufen, wie z.B. Landtechnik oder Saatgut. Dann folgt die Landwirtschaft mit Ackerbau, Viehhaltung, Gemüse-, Obst- und Weinanbau, Fischerei und Aquakultur. Daran schließen sich die nachgelagerten Sektoren Ernährung, Energie und Industrie an: vom Acker bis zur Ladentheke, zur Wärme- und Stromerzeugung oder zum industriellen Produkt wie z.B. einer Zahnbürste aus Maisstärke. Manche mögen das Agribusiness für eine Randerscheinung halten, faktisch gibt es jedoch kaum eine Industrie, die mehr Dynamik erzeugt. Nach einer Studie von Ernst & Young beträgt der Jahresumsatz im Agribusiness mehr als 200 Mrd. Euro. Damit zählt die Branche zu den bedeutendsten Industrien in Deutschland.

Lassen Sie uns einen Blick auf den Landwirt werfen: Wie tickt dieser im Jahr 2014?

Peter Pochmann: In den letzten 15 bis 20 Jahren gab es einen massiven Wechsel innerhalb der Zielgruppe: vom Bauer hin zum hochspezialisierten Unternehmer. Wir sprechen deshalb auch nur noch vom Agrarunternehmer. Dieser hat studiert – in der Regel Agrarwissenschaften oder Agrartechnik –, zahlreiche Auslandspraktika absolviert, ist um die 40 Jahre alt und mit einer Frau verheiratet, die er nicht über „Bauer sucht Frau“ gefunden hat. Er will zudem ein großes Agrarunternehmen aufbauen, also wachsen, und weiß, was auf dem Weltmarkt gefragt ist. In der Typologie der Markt- und Mediaanalyse agriMA 2013 entspricht dieser Typus dem „dynamisch engagierten Unternehmer“, der knapp ein Drittel aller Betriebsleiter stellt und den alle Industrieunternehmen gerne erreichen wollen.

Welche Ergebnisse liefert die Marktforschung zu den Informationsquellen des Agrarunternehmers?

Peter Pochmann: An vorderster Stelle kommen die Printmedien, darunter die regionalen Wochenblätter, überregionale Fachzeitschriften wie dlz, top agrar oder profi sowie Spezialzeitschriften wie Zuckerrübe oder Mais. Fachbücher spielen eine ergänzende Rolle, ebenso wie Newsletter, Prospekte oder Mailings.

Ist der Landwirt auch digital unterwegs?

Peter Pochmann: Die Zielgruppe war schon sehr früh internetaffin. Die Nutzung von Smartphones und Tablets ist dagegen noch ausbaufähig. Da die Betriebssteuerung inzwischen allerdings zunehmend auch über diese Medien läuft, werden wir hier schon bald eine Quote von 80 bis 100% erreicht haben.

Wenn die Komplexität der Inhalte mehr fordert als die Kreation knackiger Slogans – worauf kommt es an bei der Kommunikation im Agribusiness?

Peter Pcohmann: Es geht um drei Begriffe: Authentizität, Wahrheit und Klarheit. Dafür müssen Marken stehen. Mit Werbung alleine kommt man hier nicht weit. Inhalte, Produkte und Personen müssen das, was kommuniziert wird, auch mit konkreten Leistungen bestätigen. Oder anders ausgedrückt: Die Liebe zur Technik entsteht nur, wenn diese perfekt funktioniert. Das Gefühl der Sicherheit nur, wenn der Service präsent ist. Wenn wir das alles außer Acht lassen und nur über Kommunikation reden, dann sind wir sehr schnell bei belanglosen Werbesprüchen, die bei so einer ernsthaften Zielgruppe nicht fruchten.

Können Sie das genauer erklären?

Peter Pochmann: Es gibt z.B. in der Praxis immer wieder eine unglaubliche Diskrepanz zwischen dem Trallala in der Werbung – Tenor: „Wir zaubern dir etwas auf dein Feld“ – und dem seriösen Auftreten der Außendienstmannschaft. Das Resultat: Der Agrarunternehmer fühlt sich von der medialen Kommunikation nicht abgeholt. Natürlich muss man ein bisschen Alarm schlagen, aber mit dicken Sprüchen alleine kommt man hier nicht durch die Tür. Zwischen Werbung, Inhalten, Produkten und Personen darf keine inhaltliche oder stilistische Spreizung entstehen. Alle Bereiche müssen auf dasselbe Konto einzahlen.

Welche Unternehmen setzen hier Maßstäbe?

Peter Pochmann: Der Landmaschinenhersteller Claas ist sicherlich wegweisend. Über Jahrzehnte hat Helmut Claas für Authentizität, Wahrheit und Klarheit gesorgt. Mähdrescher- Baureihen wie der Dominator oder Lexion wurden unter seiner Ägide entwickelt. Ganz Ähnliches haben Xaver Fendt oder Bernhard Krone für ihre Unternehmen geleistet. Solche Leitfiguren sind in der Landwirtschaft typisch, sie verkörpern quasi die Marke und bringen das Unternehmen kraft ihrer Persönlichkeit voran. So wie das im Automobilbereich früher auch war.

Über welche Kommunikationskanäle gehen die Marken,die im Agribusiness unterwegs sind? Gibt es auch hier Besonderheiten?

Peter Pochmann: Das reicht von Printanzeigen über Verkaufsförderung und Online-Kommunikation bis hin zu Messen wie Agritechnica oder EuroTier. Sehr beliebt sind auch die sogenannten Feldtage, die von etlichen Industrieunternehmen veranstaltet werden. Direct Mailings werden dagegen nur selten eingesetzt, da das Instrument recht teuer ist und zumindest bei den Agrarunternehmern nur wenig bringt.

Welche Aktionen versprechen mehr Erfolg?

GEA Cap - „Mit dicken Sprüchen alleine kommt man nicht durch die Tür“

Ob Anzeigen, Messen oder Merchandising – das Key Visual von GEA Farm Technologies zieht sich wie ein roter Faden durch die Kommunikation.

Peter Pochmann: Eine sehr schöne Kampagne haben wir für einen der führenden Hersteller von Melktechnik entwickelt. Bis 2008 hieß das Unternehmen Westfalia- Surge, wurde dann aber in GEA Farm Technologies umbenannt, und diese Entwicklung sollten wir kommunizieren. Dazu haben wir ein neues Key Visual entwickelt, das die Unternehmensfarben von WestfaliaSurge aufgreift: eine Herde Kühe, die von einer grün-orangefarbenen Kuh anführt wird. Dieses Motiv zieht sich durch die gesamte Kommunikation. Es ist in Anzeigen zu sehen, in Unternehmensfilmen, auf dem Messestand und auf zahlreichen Merchandisingprodukten. Darunter Klassiker wie Brotdosen, Trinkflaschen, Tassen, Frühstücksbrettchen und Aufkleber, aber auch zielgruppenspezifische Artikel wie Melkschürzen, Melkfett oder Messbecher. Diese gegenständlichen Werbeträger werden weltweit vertrieben und auf Messen in einem eigenen Bereich präsentiert.

Was muss haptische Werbung haben, damit sie bei den Agrarunternehmern gut ankommt?

Peter Pochmann: Das Produkt muss etwas können. Werbeartikel ohne Funktionalität kommen bei der Zielgruppe nicht an. Was uns dagegen auf Messen und Veranstaltungen aus den Händen gerissen wird, sind z.B. Zettelboxen mit Post-its und Markern. Gleiches gilt für Zollstöcke, Gläser, Hüte oder Popcorntüten. Von solchen Artikeln produzieren wir Zigtausende. Generell sollten die Werbeartikel eine bestimmte Wertigkeit haben. Es macht keinen Sinn, China- Schrott zu verteilen, der in den Händen der Agrarunternehmer sofort auseinanderbricht. So tut man nichts für die Marke. Hinzu kommt: Wenn jemand mehrere Millionen Euro für eine Melkanlage investiert, dann sollte man auch in puncto Werbeartikel mit etwas Solidem, im besten Falle mit einem Markenprodukt aufwarten.

Wo setzen Sie ganz konkret gegenständliche Werbeträger ein?

Peter Pochmann: Der Außendienst nutzt dieses Tool gerne. Viele Unternehmen wollen ihren Kunden etwas an die Hand geben, das sie bei ihrer täglichen Arbeit unterstützt und das Thema einer aktuellen Kampagne über einen längeren Zeitpunkt hinweg transportiert. Das kann ein Kugelschreiber sein, ein Werkzeug oder eine Wetterstation. Für die Brau-Gerste „Marthe“ haben wir z.B. eine eigene Biermarke entwickelt mit Bierkästen, Bierdeckeln und Tabletts. Die Botschaft: Marthe ist des Mälzers Liebling. Das ist ein Kundenpräsent, das ganz
spitz auf die Sortenleistung gemünzt ist und deshalb auch authentisch wirkt. Sehr präsent sind Werbeartikel auch auf den Feldtagen. Gerade sind wir z.B. in der Planung von Wadenbrunn, wo Fendt und die Saaten-Union im Sommer einen gigantischen Feldtag veranstalten werden. Das ist das Wacken der Landwirte: mit einer Traktorenshow, der Präsentation neuer Pflanzensorten und einem großen Festzelt. Rund 60.000 Besucher werden hier erwartet. Für die Saaten-Union fahren wir mit 20 Bussen quer durch Deutschland
und bringen rund 1.000 Mais-Kunden als VIP-Gäste nach Wadenbrunn. Auch hier sind Werbeartikel wie z.B. Brotdosen, Caps, T-Shirts und Tragetaschen selbstverständlich. Zwar sind die Produkte nicht besonders kreativ, aber praktisch – und damit ist bei der Zielgruppe schon viel gewonnen.

marthe - „Mit dicken Sprüchen alleine kommt man nicht durch die Tür“

Werbeartikel wie das Marthe-Bier sind passgenau auf die Sortenleistung zugeschnitten.

www.ciagreen.de

// Mit Peter Pochmann sprach Andrea Bothe.

Bildquelle: AGCO GmbH; c.i.a. green communications GmbH

 

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