Ob Kleinkunstbühne, Naturkundemuseum oder Opernhaus – Kulturbetriebe leben vom Besucher. Um diese zu locken und zu binden, müssen Kunst und Kommunikation Hand in Hand gehen – Corporate Design und Caspar David Friedrich, Markenimage und Mussorgsky, Zielgruppenorientierung und Zauberflöte. Schließlich braucht es den schnöden Mammon, um einen Monet zu präsentieren.

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114.423.192. So viele Besuche meldeten die 4.932 vom Institut für Museumsforschung befragten Museen in Deutschland für das Jahr 2015. Ein Zuwachs von 2,2% im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Theater und Orchester können sich mit 39 Mio. Besuchen laut der Statistik des Deutschen Bühnenvereins für 2014/15 über mangelndes Interesse nicht beklagen. Trotz des seit Jahrzehnten prophezeiten Kulturverfalls und der Kürzungskeule, die Bund, Länder und Kommunen alle Jahre wieder schwingen, scheint es für Kultureinrichtungen im Land der Dichter und Denker noch nicht aller Tage Abend zu sein. Mit 67.437 Vorstellungen in öffentlich getragenen Theatern und 9.025 Sonderausstellungen in Museen und Ausstellungshäusern stand der deutschen Bevölkerung allein in 2015 ein breit gefächertes kulturelles Angebot zur Verfügung.

Damit Kulturbetriebe diese Programmvielfalt stemmen und langfristig wirtschaftlich arbeiten können, sind oft zusätzliche Einnahmequellen gefragt. Hier setzen viele Einrichtungen vom privaten Theater bis hin zur Staatsoper verstärkt auf Merchandising, um ihre Zielgruppe zu erreichen. Doch bei der Auswahl der Artikel sollten die Häuser mit Bedacht vorgehen – denn es gilt, die flüchtigen Eindrücke im Theater beim Publikum zu verankern, die Inhalte im Museum gezielt zu vermitteln und den Imageaufbau eines Konzerthauses niveauvoll zu unterstützen.

Flüchtiges festigen

Von Ballettaufführungen über Theaterinszenierungen bis hin zu Sinfoniekonzerten – das Saarländische Staatstheater (SST) ist ein Mehrspartenhaus mit großer Programmvielfalt, das pro Jahr etwa 200.000 Besucher in die vier Saarbrücker Spielstätten lockt. Seit September 2016 bietet der Betrieb einen Werbeträger der besonderen Art, der das Erlebte von Andorra bis Othello perfekt festhält und transportiert: eine Upcycling-Tasche. Die Idee entstand in der hauseigenen Kostümabteilung, wie Markus Maas, Kostümdirektor am SST, zu berichten weiß: „Unser Orchestermanager kam mit einem Konzert-Tagesanzeiger – einem Banner, das an der Fassade die abendliche Vorstellung bewirbt – zu mir und meinte, dass der Anzeiger aus einem dicken Gewebematerial gefertigt ist und nur für eine Spielzeit verwendet wird – ob man ihn nicht danach noch weiterverarbeiten könne? Daraus entwickelte sich die Idee, Taschen aus dem Gewebe zu nähen. Je nachdem, wie man die Motive und Schriftzüge in die Gestaltung integriert, kann daraus ein tolles Designobjekt werden.“ Für Ellen Brüwer, Marketingleiterin des Hauses, ist das Charmante an den Modellen außerdem, „dass mit den Tagesanzeigern ein Material verwendet wird, das beim Publikum Assoziationen und Emotionen weckt. Wir verhindern die Entsorgung und werben gleichzeitig auf dezente Art – ohne Holzhammer.“

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Auf 30 Metern Wäscheleine vor dem Staatstheater luftig präsentiert: die ersten 150 Exemplare der Upcycling-Taschen am Theaterfest 2016.

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Der Shop der Elbphilharmonie greift auch im Design der Fläche die umgebende Hafencity auf.

Vorbild waren bunte Taschen aus LKW-Plane. „Wir wollten eine einfache, robuste und ansprechende Variante schaffen. Mithilfe eines kleinen Etiketts mit der Aufschrift ‚Ich war mal Werbung‘ sowie eines QR-Codes, der auf unsere Homepage verlinkt, haben wir dann den Bogen zur Werbung geschlagen“, so Maas. Die Herstellung der Unikate in der hauseigenen Kostümabteilung schaffe eine zusätzliche Verbindung zum SST und eröffne weitere Möglichkeiten, erläutert Maas: „Im Gegensatz zu Merchandisingartikeln, die bei externen Dienstleistern in Auftrag gegeben werden, können wir die Taschen nach unseren eigenen Vorstellungen weiterentwickeln und gezielt auf Anfragen reagieren. Für den Richard Wagner Verband sollen wir z.B. Modelle aus dem Transparent eines Sonderkonzerts anfertigen.“ Ein Nachteil der internen Herstellung ist, dass die Taschen nur genäht werden können, wenn es das Alltagsgeschäft zulässt. Wer sich ein Erinnerungsstück mitnehmen möchte, muss allerdings nicht auf die nächste Charge warten. „Wir führen imagebezogenes Merchandising wie z.B. Theatertassen aus Bone China mit Faust-Zitat, schön gestaltete Bleistifte oder Schneekugeln mit einem Bild vom Staatstheater, die super ankommen. Unsere Schreibkladden mit selbst entwickeltem Logo und hochwertigem Papier sind so- wohl theaterintern als auch extern sehr beliebt“, weiß Brüwer. Zudem sind von Zeit zu Zeit produktionsbezogene Artikel an der Vorverkaufskasse erhältlich, wie z.B. T-Shirts zu bestimmten Musical-Aufführungen. Shirts mit allgemeineren Staatstheater-Motiven sind jedoch in Brüwers Augen interessanter: „Wenn T-Shirts nicht an eine bestimmte Produktion gebunden und nur begrenzt erhältlich sind, können sie zum langfristigen Imageträger werden. Auch unter unseren über 430 Mitarbeitern am SST kommen Logo-Shirts gut an – so werden die Menschen hinter den Kulissen zu Botschaftern.“ Für kurzfristige Aufmerksamkeit z.B. beim Theaterfest zum Auftakt der Saison oder bei Promotion-Aktionen in der Innenstadt sorgen außerdem CI-gerecht gestaltete Streuartikel, u.a. Ballons und Bonbons. Abgerundet wird der Markenauftritt mit eigenen Buchpublikationen wie Grenzenlos: 75 Jahre Saarländisches Staatstheater, die eine zusätzliche inhaltliche Dimension und Impressionen der Theaterwelt liefern. So kommt auch die Wissensvermittlung nicht zu kurz.

Wissen schaffen

Ein Betrieb, für den der Bildungsauftrag im Marketing eine besonders wichtige Rolle spielt, ist das Neanderthal Museum in Mettmann. Das 1996 an der Fundstelle des Humanfossils erbaute Museum für Menschheitsgeschichte versteht sich als multimedialer Erlebnisbetrieb mit angeschlossenem eiszeitlichen Wildgehege, Skulpturenpfad und Workshops rund um die Lebensweise der Neandertaler. Jährlich ermöglicht die Einrichtung etwa 160.000 Besuchern Einblicke in die frühe Menschheitsgeschichte. Da das Museum einen erheblichen Teil der Betriebskosten selbst erwirtschaftet, sind die Mitarbeiter in besonderem Maße motiviert, kundenorientiert vorzugehen und die Wissensvermittlung passgenau zu gestalten. Bemerkbar macht sich diese Motivation auch im eingegliederten Museumsshop, der seit 2004 von Petra Jäschke geleitet wird. „Unsere Besucherstruktur setzt sich zu jeweils einem Drittel aus Familien, Einzelpersonen und Schulklassen zusammen. Um z.B. Lehrern ein Produkt an die Hand zu geben, das sie zum Vermitteln des Erlebten im Klassenzimmer verwenden können, haben wir das Steinzeitfeuerzeug und den Steinzeitbohrer entworfen“, so Jäschke. Neben den Sets aus Feuerstein und Birkenholz bietet das Museum zahlreiche informative Artikel für alle Altersklassen – vom Brettspiel bis hin zum Begleitbuch zur Dauerausstellung Werde Teil der Menschenfamilie. Zusätzlich können Lehrmaterial und Forschungsbände rund um die Steinzeit erworben werden.

Bei all dem geballten Wissen darf die passende, attraktive Aufbereitung jedoch nicht zu kurz kommen. Daher wurde der Museumsshop vor etwa zehn Jahren im Rahmen eines Umbaus in das Corporate Design eingebunden. „Zuvor war der Raum eher neutral gestaltet, und die Produkte haben sich nicht an den Bedürfnissen der Besucher orientiert – der Shop fuhr keine Gewinne ein. Nun haben wir alles für Kunden leicht zugänglich und optisch ansprechend in unserem leuchtenden Hellgrün gestaltet – der Shop lädt zum Verweilen und letztendlich zum Kauf ein“, berichtet Jäschke. Bei der anschließenden Artikelauswahl wurde auch die stark vertretene junge Zielgruppe berücksichtigt. „Unsere Produktpalette ist sehr farbenfroh – angefangen von der Quietscheente als Mammut oder Neandertaler über bunte Bilderbücher bis hin zu Radiergummis in Säbelzahntigerform. Da unser Themenbereich eingeschränkt ist und sich nicht auf jeder Messe direkt etwas Passendes zu den Bereichen Steinzeit und Evolution findet, haben wir einige Produkte selbst entworfen. Dazu gehört unser beliebtes Plüschmammut Tinka.“ Das Team des Neanderthal Museums orientiert sich bei der Auswahl der Produkte außerdem am Feedback der Besucher, führt Neuerungen in kleinen Stückzahlen ein und überprüft, was Anklang findet. So ist im Laufe der letzten zehn Jahre eine ausgewogene Kollektion entstanden, die die Inhalte des Museums in die Lebenswelten der Besucher transportiert.

Steinzeitbohrer Kinder©Neanderthal Museum - Art sells!
steinzeitfeuerzeug©Neanderthal Museum - Art sells!
Steinzeittechniken werden in den Museums-Workshops auch haptisch erlebbar gemacht. Wer das Gelernte zu Hause vorführen möchte, holt sich die Steinzeit-Bohrmaschine im Shop.

Niveau halten

Wie wichtig eine maßgeschneiderte Lösung für einen Kulturbetrieb ist, weiß Kerstin Falken, Inhaberin der Unternehmensberatung KFMC merchandising concepts ganz genau. Dank ihrer fast 20-jährigen Erfahrung im Aufbau von Einzelhandelskonzepten in kulturellen Einrichtungen, u.a. für das Museum der Bayerischen Könige oder den Berliner Zoo und Tierpark, wurde die Hamburgerin mit der Erstellung des Gesamtkonzeptes für den Shop der Elbphilharmonie beauftragt. Beim Entwurf spielen die Aspekte Standort und Geschichte der Einrichtung über die Inhalte bis hin zur Zielgruppe eine entscheidende Rolle. „Die Planung für die Elbphilharmonie war sehr spannend, denn hier galt es, eine außergewöhnliche Architektur und ein anspruchsvolles Kulturprogramm mit dem politischen Anspruch ‚Die Elphi ist für alle da‘ zu verbinden. Dazu an einem speziellen Standort – Hamburg, dem Tor zur Welt – mit einer ausgeprägten Einzelhandelslandschaft in unmittelbarer Nähe. Bei der Produktwahl mussten wir also einen Spagat zwischen Konzerthaus und Touristenattraktion schaffen und Artikel für jedes Portemonnaie konzipieren, die trotzdem einem gewissen Anspruch genügen“, erklärt Falken. Um dem Niveau des Hauses gerecht zu werden und dennoch ein breites Publikum ansprechen zu können, war der Aspekt „Storytelling“ wichtig. Dabei half die Auswahl der Partnerunternehmen, die Kerstin Falken und ihre Mitarbeiter getroffen haben: „Als Einheimische lag es mir am Herzen, bei diesem umstrittenen Projekt mit Hamburger Unternehmen zusammenzuarbeiten. Wir haben u.a. mit lokalen Künstlern wie The Art of Hamburg Kollektionen entworfen, deren Entstehungsgeschichte wir auf kleinen Displays im Shop erläutern. Wenn die Besucher verstehen, dass lokale Designer involviert sind, dass vor Ort produziert wird und soziale Gesichtspunkte wie die Einbindung der Elbwerkstätten berücksichtigt werden, ist die Preisakzeptanz eine andere.“

Zu den außergewöhnlichen Produkten zählen die Steinway-Artikel des Sortiments, die ein Charakteristikum des Konzerthauses direkt aufgreifen: In der Elbphilharmonie wird auf Flügeln der renommierten Marke Steinway & Sons gespielt. Bei einer Führung durch die Hamburger Manufaktur kam Kerstin Falken die Idee, die in der Herstellung aussortierten Hammerköpfe als Verschluss und Verzierung u.a. für Notenheftmappen aus Filz einzusetzen – ähnlich der klassischen Dufflecoat-Knöpfe: „Für mich sind die Mappen etwas ganz Besonderes. Durch die Zweckentfremdung von Originalteilen aus der Steinway & Sons-Produktionskette setzen wir die Themen Musik und Lifestyle spannend um. Zwar erreichen wir mit dieser Idee nur eine bestimmte Zielgruppe, aber diese spezielle Ansprache ist Teil unseres Konzepts – Mainstream kann jeder.“ Besucher, die dem Impuls, einen Teil des Erlebnisses mit nach Hause zu nehmen, nicht widerstehen können, erhalten etwas Außergewöhnliches, das mehr ist als ein simples Souvenir. „Natürlich gehören zu einer guten Mischung auch die Klassiker wie Magnete, Schlüsselanhänger und nicht zuletzt Postkarten. Am Sockel unserer Sortimentspyramide befinden sich die Basics, und zur Spitze hin wird es spezieller, hochwertiger. Die richtige Zusammenstellung und thematisch stimmige Warenpräsentation sind zudem ausschlaggebend für eine schlüssige und erfolgreiche Umsetzung – wir beobachten, dass hochwertige Artikel oft zusammen mit preiswerten Mitbringseln erworben werden“, konstatiert Falken.

Um Besuchern das Erlebte mit nach Hause zu geben und dem Wunsch nach einem Erinnerungsstück gerecht zu werden, greifen Kulturbetriebe häufig auf selbst ausgewählte oder konzipierte Merchandisingartikel zurück. Egal für welchen Imageträger sich die Einrichtungen letztendlich entscheiden – wer bei der Gestaltung den richtigen Ton trifft und sein Programm gelungen wiedergibt, wird mit der Aufmerksamkeit des Publikums belohnt.

// Claudia Pfeifer

Bildquelle: KFMC merchandising concepts (1); Neanderthal Museum (2); Saarländisches Staatstheater (1); Thies Raetzke (1)

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