Ob Hollandrad oder Fatbike, Klappfahrrad oder Pedelec – mit dem Frühling beginnt für viele die Drahteselsaison. Klimawandel, Staus und die Stärkung der eigenen Fitness liefern gute Argumente für die emissionsfreie Fortbewegung mit Muskelkraft. Und auch wer im Marketing auf der Überholspur bleiben möchte, sollte sich schleunigst etwas genauer mit dem fahrbaren Untersatz beschäftigen.

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Dem Dieselskandal, verschärfter Abgasgrenzwerte und drohender Fahrverbote zum Trotz, werden Autos auf deutschen Straßen immer breiter, größer und leistungsstärker. Sinnbild der rollenden Klimakiller: der SUV. Dabei hat EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete erst Ende 2017 in Brüssel neue Grenzwerte für den CO2-Ausstoß bei Autos vorgestellt. Bis zum Jahr 2030 sollen Neuwagen 30% weniger Kohlendioxid in die Umwelt blasen. In einem SUV wird das Ziel wohl mit Vollgas gegen die Wand gefahren. Glücklicherweise ist die Gegenbewegung zu den überdimensionierten Mini-Panzern aber bereits im Anrollen, und zwar auf zwei Rädern: das Fahrrad. Rund ein Drittel der Deutschen nutzt laut aktuellem Mobilitätsbericht des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur mindestens einmal die Woche das Fahrrad. Gründe, endlich um- und aufzusteigen, gibt es viele: Das Fahrrad – 1817 von Karl Drais erfunden – zählt zu den umweltfreundlichsten Fortbewegungsmitteln, auf kurzen Strecken ist man oft schneller am Ziel als mit anderen Verkehrsmitteln, und das ganz ohne Kraftstoffverbrauch, Kasko-Versicherung, Steuerzahlungen und TÜV. Wer täglich in die Pedale tritt, hält sich außerdem fit – vorausgesetzt, man klebt nicht an jeder Ampel hinter einem dröhnenden Auspuff. Um das zu verhindern, sind Politiker und Städtebauplaner gefragt.

Die Kopenhagenisierung nimmt Fahrt auf

Im Copenhagenize Index von 2017, einem alle zwei Jahre von der Copenhagenize Design Company veröffentlichten Ranking der Top 20- Fahrradstädte, steht aktuell Kopenhagen vor Utrecht und Amsterdam an der Spitze. In der dänischen Hauptstadt sind Radwege bis zu zweieinhalb Meter breit und werden, vom motorisierten Straßenverkehr räumlich getrennt, zwischen Parkstreifen und Gehsteig angelegt. Auf der Nørrebrogade, die für Autos teilweise gesperrt ist, tummeln sich täglich bis zu 50.000 Stahlrossritter, und aus den umliegenden Gemeinden führen Cycle Highways in die Innenstadt. Die Kopenhagenisierung vorantreiben möchte auch Hamburg. Dort, wo 1869 mit dem Eimsbüttler Velozipeden Reitclub der erste Radfahrverein der Welt gegründet wurde, sollen ab Frühjahr 2019 auch zahlreiche Marketingmaßnahmen aus der Agenturschmiede von Jung von Matt/Sports den Radverkehr stärken. Die Kampagne ist der Hansestadt stolze 3,92 Mio. Euro wert.

Eine länderübergreifende Aktion fährt das europäische Städtenetzwerk Klima-Bündnis: Seit 2008 lädt das Projekt Stadtradeln Politiker und Bürger dazu ein, sich in ihrer Heimat auf das Fahrrad zu schwingen. Die teilnehmenden Kommunen wählen einen Zeitraum von 21 aufeinanderfolgenden Tagen zwischen Mai und September, in dem die Kampagne lokal umgesetzt wird. Am Ende der Laufzeit werden die geradelten Kilometer gezählt und die besten Kommunen in fünf Kategorien ausgezeichnet. Alle Gewinnerkommunen erhalten eine wasserdichte Fahrradtasche von Ortlieb im Stadtradeln-Design. Darüber hinaus werden weitere hochwertige Preise rund ums Thema Fahrrad verlost, darunter Elektrofahrräder, Fahrradhalterungen, -schlösser, -helme, -lichter und gebrandete T-Shirts. Bei Veranstaltungen und Werbeaktionen rund um das Stadtradeln-Projekt geben die teilnehmenden Kommunen veredelte Caps, Trinkflaschen, Reflektoraufkleber, Sattelschützer und Reifen-Reparatur-Sets an Radelnde und potenzielle Teilnehmer heraus. 2018 nahmen fast 300.000 Menschen an der Aktion teil und legten insgesamt 60 Mio. km auf zwei Reifen – statt mit dem Auto – zurück. 8.400 t CO2 konnten so vermieden werden.

Vom Alltagsgefährt zum Statussymbol

Die Heidelberger Gesellschaft für Innovative Marktforschung mbH klassifizierte in ihrer Studie I want to ride my bicycle zu Motiven und Barrieren des Radfahrens in Deutschland insgesamt fünf Zweiradtypen: 21% der 1.904 befragten Personen gehören zu den Bike Refuseniks. Sie empfinden Radfahren als anstrengend und unpraktisch. Auch bei den Pragmatic Cyclists (18%) wiegen diese Aspekte schwer. Sie erkennen aber immerhin z.T. die Möglichkeit an, beim Radeln mental abschalten zu können. Das absolute Gegenteil sind die Everyday Bike Troupers (21%). Sie gehören zu den Fahrradfans der ersten Stunde und sehen im Zweirad das Verkehrsmittel der Zukunft. Flexibilität steht bei den Young Urban Bikers (17%) hoch im Kurs. Für diese Pedalrittergattung ist das Biken neben Auto-, Zug- oder Busfahren eine Option unter vielen; ihre Stahlrösser fungieren als Lifestyle- und Statusobjekte. Mit 23% zur größten Gruppe zählen die Sunday Bike Enthusiasts. Hier dient das Rad eher der Freizeitbeschäftigung und sportlichen Betätigung. Naturerlebnis und Umweltschutz sind den Sunday Bike Enthusiasts zwar wichtig, aber dennoch fühlen sie sich im Alltag auf das Auto angewiesen.

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Die Vielfalt an Fahrradtypen ist aber nicht erst seit der Heidelberger Studie belegt. Meist reicht schon ein Blick vor die eigene Haustür. Dort gesellen sich zu trendbewussten Hipstern auf Ledersätteln und pendelnden Anzugträgern auf Klapprädern auch Tour de Francebegeisterte Sportskanonen, die sich am Wochenende in Profi-Ausrüstung auf ihre teuren Rennräder schwingen, übermütige 16-Jährige, die mit Mountainbikes steile Abhänge hinunterrasen, radelnde Studenten, die ihre Einkäufe in bunt bemalten Lastenrädern nach Hause transportieren, und Frischluftfans, die mit dem Elektrobike erstaunliche Strecken über Wald und Flur zurücklegen. Dabei steigt die Bereitschaft, mehr Geld für das eigene Vehikel auszugeben: Während Verbraucher in Deutschland 2014 im Schnitt 528 Euro für ein neues Fahrrad ausgaben, waren es 2017 laut einer Erhebung des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) 698 Euro. Begründet liege das darin, dass den Konsumenten eine hohe Qualität und die sich daraus ergebene längere Nutzungsdauer immer wichtiger werden. Zudem setzt sich der Trend zum Strampeln mit Strom ungebremst fort: E-Bikes machten laut ZIV 2017 einen Marktanteil von 19% aus. Das entspricht 720.000 von insgesamt 3,85 Mio. verkauften Rädern. Ebenfalls voll im Trend liegen Customized Bikes. Für jede Vorliebe findet sich eine Manufaktur, die für ihre Kunden nach dem Baukastenprinzip individuelle Drahtesel nach Maß konfiguriert. Allerdings muss man für solche Designwunder schon etwas tiefer in die Satteltasche greifen.

Nachhaltig, funktional und stylisch

Werbende Unternehmen können die velophile Leidenschaft ihrer Zielgruppe mit zahlreichen Giveaways schüren. So machte z.B. die sozial-ökologisch ausgerichtete Bank GLS vor ein paar Jahren mit Sattelschützern, die bei Guerilla-Aktionen vor Universitäten und Bahnhöfen über die Sättel abgestellter Räder gezogen wurden, werbestark auf sich aufmerksam. Der verteilte Regenschutz trug den Slogan „Was macht Ihr Geld? Jetzt umsteigen auf eine Bank mit Sinn“. Auf besonders innovative Fahrrad- und Lifestyle-Accessoires hat sich Fahrer spezialisiert. Das Berliner Unternehmen produziert neben Taschen, Gepäckträgern, Lenkerhauben und Kettenschutzrohren auch als Werbepräsente einsetzbare Reflektorbänder und Schlüsselanhänger aus ausgedienten Werbebannern, LKW-Planen und anderen recycelbaren Materialien. Artikel rund um das Thema Sicherheit sowie stylishe Sportswear machen die große Auswahl haptischer Botschafter im Fahrradsektor komplett. Ob Hightech-Bremssystem, LEDLeuchte, Funktionsshirt oder Thermojacke – mit der passenden Ausrüstung ist passionierten Zweiradfans kein Weg zu weit. Sicher unterwegs und richtig gekleidet, fällt es sogar Radmuffeln bedeutend leichter, den Autositz gegen einen Fahrradsattel zu tauschen. Also her mit den haptischen Verstärkern, damit sofort losgestrampelt werden kann! Denn eins ist sicher: Wir müssen dringend die Ausfahrt Richtung Mobilitätswende nehmen.

// Jasmin Oberdorfer

Fotos: Jasmin Oberdorfer (1), © WA Media; shutterstock.com/sportpoint; shutterstock.com/Valeria Selezneva

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