Immer mehr Unternehmen engagieren sich als Sponsoren im E-Sport. Wer es richtig macht, wird von den Fans ausgesprochen freundlich in die Community aufgenommen. Ein paar Logos zu platzieren reicht aber nicht aus, erfolgreiche Kampagnen punkten mit Authentizität und Mehrwert. Über Sponsoren und ihre Annäherungen an eine anspruchsvolle Zielgruppe.

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Die Halle ist voll, die Stimmung blendend, der Blick fällt auf erwartungsfrohe Gesichter. Plakate werden geschwenkt, es wird gehüpft und getanzt – fast wie beim Konzert eines Popstars. Besonders auffällig verhält sich eine Gruppe junger Männer in gelben T-Shirts und mit gelbgerahmten Sonnenbrillen. Sie steht auf den Rängen und skandiert mit der Inbrunst echter Fans immer wieder die gleichen drei Buchstaben auf Englisch: „DHL! DHL! DHL!“ In der Menge blitzen (augenscheinlich professionell produzierte und verteilte) Plakate mit dem Schriftzug „DHL“ auf. Gemeint ist tatsächlich DHL, der Logistikdienstleister. Das ist keine ein wenig aus dem Ruder gelaufene, besonders wilde Vision eines DHL-Marketers, sondern so geschehen, und zwar auf der ESL One, die im Frühsommer 2019 in der Arena Birmingham stattfand. Wer es nicht glauben mag, kann es sich in einem von DHL stolz geteilten Video auf YouTube anschauen. Die ESL One ist eine der größten internationalen E-Sport-Turnierserien der Welt, veranstaltet von der in Köln ansässigen Electronic Sports League, kurz ESL. Im E-Sport messen sich einzelne Spieler oder ganze Mannschaften in Sportsimulationen wie der bekannten Fifa-Reihe, in Multiplayer-Strategiespielen wie League of Legends (LoL) oder Dota 2, aber auch in Taktik-Shootern wie Counter Strike: Global Offensive (CS:GO). Ausgetragen werden die Wettkämpfe bei Live-Events, in Ligen, auf Turnieren oder auch online. E-Sport ist vom Gaming abzugrenzen: Gaming bezeichnet das einfache Spielen elektronischer Videospiele, E-Sport ist der Wettkampfbestimmungen unterliegende Wettbewerb im Gaming.

Neben dem Amateurbereich wachsen seit einigen Jahren auch der semi- und der vollprofessionelle E-Sport. Etwa 9,2 Mio. Menschen verfolgen in Deutschland regelmäßig E-Sport-Wettbewerbe, ist einer Deloitte-Studie zu entnehmen. Alleine in Deutschland hatte der E-Sport-Markt der gleichen Studie zufolge im Jahr 2018 eine Größe von etwa 70 Mio. Euro, das sind 29% des gesamten europäischen Marktes. 2023 wird der Markt eine Größe von 180 Mio. erreichen, schätzt Deloitte – das würde ein jährliches Wachstum von 21% bedeuten. Größter Wachstumstreiber: die Sponsoren. Auf dem Turnier in Birmingham etwa ging es um insgesamt 300.000 US-Dollar Preisgeld. Alleine die Mannschaft auf dem ersten Platz nahm 125.000 US-Dollar mit nach Hause. Für Aufsehen sorgte zuletzt die Nachricht, dass insgesamt 30 Mio. US-Dollar Preisgeld bei der Fortnite-Weltmeisterschaft 2019 zu holen waren. Im Deutschen Olympischen Sportbund mag man E-Sport kritisch sehen, dort hat man vor Kurzem durch ein Gutachten die Haltung bekräftigt bekommen, dass E-Sport kein Sport sei. Immer mehr Unternehmen indes schaffen Fakten, behandeln E-Sport als Sportart und werden zu Sponsoren – so wie die so bejubelte DHL bei der ESL One.

Hohe Dynamik

Eine solche Begeisterung für einen Sponsor wie in Birmingham hat Michael Heina bis dato auch noch nicht erlebt. Heina ist Head of Esports Europe beim Forschungs- und Beratungsunternehmen Nielsen Sports und seit etwa zehn Jahren in der Branche unterwegs. „Wer das Gefühl hat, dass E-Sport gerade durch die Decke geht, liegt völlig richtig“, sagt der Experte: „Wir sehen das schon alleine an der großen Anzahl neuer Sponsoringdeals in der Branche.“ Nielsen Sports analysiert weltweit die ökonomischen Entwicklungen im sogenannten E-Sport-Ökosystem – also der gesamten Branche, bestehend aus Turnierveranstaltern, Teams, Ligen, Spiele-Publishern, Medien sowie den E-Sport-Fans und den Sponsoren selbst – und die Zahlen sind wirklich beeindruckend. Zählte Nielsen Sports im Jahr 2015 gerade einmal 73 E-Sport-Sponsoringdeals weltweit, ist die Zahl im Jahr 2018 auf rund 750 angestiegen. Damit aber nicht genug: Alleine im ersten Halbjahr 2019 verzeichnete Nielsen Sports bereits über 1.170 Deals. Natürlich sei nicht jeder Deal gleich ein Millionengeschäft oder stehe für langfristiges Engagement, schränkt Heina ein, aber auch zurückhaltend betrachtet gilt: „Der Markt ist gerade richtig in Bewegung, da ist eine unglaubliche Dynamik drin.“

Das liege vor allem daran, dass sich nun vermehrt auch die sogenannten nicht-endemischen Sponsoren im E-Sport engagieren. Nicht-endemische Sponsoren sind Unternehmen, die nicht direkt zur Spiele- und Computerbranche zählen. Dass Hardware-Hersteller ihr Logo gerne in diesem Umfeld sehen, kann kaum überraschen. Dass aber Marken wie Mercedes, McDonalds oder eben DHL große Sponsoringdeals im Bereich E-Sport abschließen, dürfte erstmal aufhorchen lassen. So sieht man den Mercedes-Stern auch auf Trikots von E-Sport-Teams wie dem weltweit erfolgreichen Kölner Team SK Gaming. Wie kommt es, dass Unternehmen, die gar nichts mit Games oder Hardware zu tun haben, in den letzten zwei bis drei Jahren vermehrt auf Sponsoring im E-Sport-Bereich setzen?

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„Hallo, wir sind Wüstenrot”: Wüstenrot ist seit 2016 Sponsor der ESL Meisterschaft.

Zockende Zielgruppe

Christopher Flato, Pressesprecher des Veranstalters ESL, weiß eine relativ einfache Antwort: Die Zielgruppe ist auf anderen, klassischen Wegen immer schwieriger zu erreichen. „Millennials, Digital Natives, Generation Z – die Gruppen, die sich hinter diesen Schlagworten verbergen, sind kaum noch in den klassischen Medien unterwegs, aber insgesamt sind sie eine für ganz unterschiedliche Sponsoren ziemlich spannende Zielgruppe; und die interessiert sich immer mehr für E-Sport.“ Es handelt sich beileibe nicht nur um zockende Teenies, sondern eher um junge Erwachsene, meist Männer, die neben einem überdurchschnittlich hohen Bildungsgrad auch eine signifikante Kaufkraft aufweisen. Diese technikaffine Zielgruppe möchte authentisches Engagement sehen, und sie möchte Anerkennung. „Über Gamer, und die allermeisten E-Sport-Fans sind auch Gamer, wurde viel gespottet, sie wurden als Nerds abgestempelt. Erfolgreiche Sponsoren geben dieser Zielgruppe das Gefühl, verstanden zu werden, und Anerkennung – und kriegen dafür positive Rückmeldung“, erklärt Flato.

Wie freundlich E-Sport-Fans engagierten Sponsoren gegenüberstehen, belegt eine Konsumentenbefragung, die PricewaterhouseCoopers (PwC) im Juli 2019 durchgeführt hat: Die überwältigende Mehrheit der befragten E-Sport-Fans empfinde es als Bereicherung, dass sich nicht-endemische (in der Befragung: „klassische“) Unternehmen im E-Sport engagieren. Selbst Werbung auf Merchandisingartikeln empfindet eine Mehrheit der E-Sport-Fans dieser Befragung zufolge nicht als störend, Werbung in Spielen selbst schon eher. Auf Events lernen die Fans gerne Produkte und Services der Sponsoren kennen – eine Neugier, zu der Werbeartikel der Sponsoren einer PwC-Studie aus dem Jahr 2018 zufolge nicht unwesentlich beitragen.

Eigner oder Partner

Wenn sie es also richtig anstellen, sagt Experte Michael Heina, können E-Sport-Sponsoren derzeit noch mit einem ROI von 10:1 bis 20:1 rechnen. Zum Vergleich: Im konventionellen Sportsponsoring liege dieser Wert aktuell bei etwa 3:1 bis 5:1, so Heina. Man könnte also sagen, Sponsoren rennen im E-Sport gerade weit offene Türen ein, zu beiderseitigem Vorteil.

Die Wege durch die Tür sind allerdings unterschiedlich. Manche gehen eine Partnerschaft mit einem Ligaveranstalter, einem bestimmten Turnier oder einem E-Sport-Team – in der Szene „Clan“ genannt – ein, andere schicken eigene Mannschaften mit Firmenlogo ins Rennen. Letzteres ist der Weg, den der Elektronikfachhändler Expert aus Langenhagen bei Hannover geht: Seit 2016 unterhält der Fachhändler eine eigene Werksmannschaft, aktuell sind Expert-E-Sportler in den Disziplinen Fifa und CS:GO unterwegs. „Als Fachhändler mit stationärem Fokus ist es uns wichtig, dass wir unsere Händler vor Ort stärken. Dafür ist der Einsatz einer eigenen E-Sport-Mannschaft ideal, da wir sie ganz gezielt nutzen können, um durch Aktionen vor Ort unsere Standorte zu aktivieren“, erklärt Jens Kaufmann, Abteilungsleiter Werbung bei Expert. Im letzten Jahr hat man sich bei Expert dazu entschlossen, sich auf den deutschen Kernmarkt zu fokussieren, seither sind die Expert-E-Sportler nur noch in deutschen Ligen unterwegs. „Unser Ziel ist: die Marke Expert mithilfe unseres Werksteams in der Zielgruppe bekannt zu machen und im Relevant Set zu verankern“, sagt Kaufmann und ergänzt: „Ein gutes und sehr erfolgreiches Mittel hierfür sind die Fifa-Events, die wir regelmäßig bei unseren Fachhändlern veranstalten.“ Die Bausparkasse Wüstenrot hat ähnliche Ziele, aber ein anderes Sponsoringmodell. Seit 2016 ist Wüstenrot Hauptsponsor der ESL Meisterschaft, eine Art deutsche Königsklasse für die Disziplinen LoL, CS:GO und Playerunknown´s Battleground.

„2015 waren unsere Bekanntheitswerte bei der jungen Zielgruppe nicht befriedigend, wir mussten dringend etwas unternehmen“, erzählt Clemens Kaiser, der bei Wüstenrot als Brand Manager u.a. für die strategische und operative Markenausrichtung verantwortlich ist. Es ging darum, die vielbeschworenen Generationen Y und Z besser zu erreichen. Verschiedene Kanäle standen zur Debatte, entschieden hat Wüstenrot sich schließlich für den E-Sport. „Natürlich war das ein gewisses Risiko und unser Einstieg in den E-Sport für viele überraschend. Wir waren das erste nichtendemische Unternehmen, das solch ein umfangreiches Engagement startete und dazu noch als Finanzdienstleister. Unser Ziel ist der Aufbau unserer Markenbekanntheit und Markensympathie. Wir möchten in erster Linie keine Bausparverträge auf E-Sport-Events verkaufen, sondern ins Relevant Set der Zielgruppe gelangen, damit sie sich in einigen Jahren, wenn es um ihre Finanzen geht, an uns erinnert“, erzählt Kaiser. Der deutsche Wettbewerb ESL Meisterschaft bot sich dafür an, weil Wüstenrot nur auf dem deutschen Markt aktiv ist. Die Zielgruppe immer im Blick, haben Kaiser und seine Kollegen sich also an die Arbeit gemacht. E-Sport-Fans sind offen für Sponsoren und deren Aktivitäten, aber ganz wichtig seien Engagement und Authentizität, sagt E-Sport-Experte Heina. Eine einfache Logoplatzierung alleine locke keinen einzigen E-Sport-Fan hinter dem Bildschirm hervor. Kaiser sieht das genauso: „Man kann nicht einfach nur auf ein Event gehen, Logos plakatieren und dann darauf warten, dass die Leute nach einem Bausparflyer fragen. Man muss sich schon mit ihnen und ihrem Sport ernsthaft beschäftigen.“

Aktiv werden

Um die Zielgruppe zu aktivieren, wurde Wüstenrot also selbst aktiv. Bei den Finalspielen der ESL Meisterschaft etwa baute die Bausparkasse ein Gaming-Zimmer auf – einen Raum mit gemütlichem Sofa und Spielekonsolen, wo die Besucher angesagte Spiele zocken können und einfach eine gute Zeit haben sollen, sagt Kaiser. Nirgends liegt ein Bausparflyer, aber überall ist das Logo präsent. Unter dem ersten Kampagnen-Claim „Endlich genau mein Ding“ sprachen Influencer im Wüstenrot-Talk mit professionellen E-Sportlern vor Ort z.B. darüber, wie man E-Sport-Profi wird und wie man eben genau sein Ding macht; das Wort Bausparvertrag fiel eher selten: „Das war die erste Stufe unseres Engagements: Hallo, wir sind übrigens Wüstenrot und hier, um eure Leidenschaft zu unterstützen.“ Nach einer Kampagnen-Anpassung und mit dem neuen Claim „Deine Bude. Deine Freiheit“, ging es darum zu erklären, was Wüstenrot überhaupt tut. Gemeinsam mit einer Agentur hat das Team um Kaiser – relativ naheliegend – ein Quiz entwickelt, in dem Fans mit ihrem Wissen zum E-Sport glänzen können. Darin eingestreut: Fragen zum Thema Wohnen. „Das sind alles keine komplizierten Rechtsfragen, eher so etwas wie ‚Was ist ein Mietspiegel?‘“, erläutert Kaiser. Einem in der Szene bekannten Influencer hat die Bausparkasse auch mal ein Wohnstudio eingerichtet, über das er natürlich auf Twitter und YouTube berichtete.

Alle Aktivierungen auf den Meisterschaften werden durch eine Live-Coverage mit Influencern begleitet und in den Sozialen Medien vermarktet. „Vor Ort erreichen wir ein paar Tausend, online erreicht man während der ESL Meisterschaft aber über zwei Millionen Zuschauer“, so Kaiser. Nach dem gleichen Prinzip twittert Wüstenrot auch unter dem Namen Wüstenrot4Gamers aktiv rund um die ESL Meisterschaft und hat sich so in der Community einen Namen gemacht. Das ist eine Besonderheit der E-Sport-Fans: Sie sagen relativ schnell, wenn ihnen etwas nicht gefallen hat – reagieren aber auch sehr schnell positiv, wenn eine Aktion gut war. Und das nicht nur online: Den Claim „Deine Bude. Deine Freiheit“ hat Wüstenrot auf Turnbeutel drucken lassen, und mittlerweile kommen die Besucher früherer Events schon mit genau diesen Beuteln immer wieder auf die Turniere.

Für Wüstenrot läuft es also. „Einen deutlichen Anstieg unserer Markenwerte konnten wir bereits nach dem ersten Jahr verzeichnen“, erzählt Kaiser. Die Markenbekanntheit sei innerhalb kürzester Zeit um zwölf Prozentpunkte gestiegen, nicht nur in der Kernzielgruppe Gamer, sondern auch bei jungen Erwachsenen in Deutschland generell – es gab also einen Spill-over-Effekt. Die erreichten Werte zu halten ist das aktuelle Ziel. Ende 2019 läuft der bisherige Sponsoringvertrag aus, im Sommer 2019 befanden sich Wüstenrot und ESL in Gesprächen: „Unser Ziel ist es, weiter zusammenzuarbeiten. Wir entwickeln aktuell ein visionäres Konzept, um unser Kernthema „Wohnen“ noch konkreter mit unserem E-Sport-Engagement zu verbinden.“

Mehr wert: Mehrwert

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DHL und der EffiBOT kamen beim Publikum der ESL One Birmingham ziemlich gut an.

Das Engagement von Wüstenrot ist deshalb so erfolgreich, weil es den Fans neben Anerkennung auch echten Mehrwert bietet. Wer das nicht vermag, braucht eigentlich gar nicht erst anzufangen. Worin genau dieser Mehrwert bestehen kann, komme immer auf das Unternehmen an, sagt E-Sport-Fachmann Heina: „Sponsoren können dann erfolgreich sein, wenn sie ihre jeweilige Kernkompetenz in einen E-Sport-Rahmen bringen und damit den so wichtigen Mehrwert für die Fans schaffen.“ DHL – der bejubelte Sponsor – habe das durch die „Lieferung“ von Giveaways und Goodie-Paketen durch den Lagerroboter EffiBOT erreicht. Der fuhr bekannten E-Sport-Moderatoren hinterher, blinkte treuherzig in aller vermenschlichten Niedlichkeit und tat, wofür er konstruiert ist: Er lieferte einfach. „Außerdem hat die DHL einen auf das Spiel Dota 2 abgestimmten In-Game-Videoclip produziert und damit ein Paradebeispiel dafür geliefert, wie eine Brand ihre Zielgruppen erfolgreich aktiviert“, präzisiert Heina.

Ein Unternehmen, das dieses Prinzip – Mehrwert durch Kernkompetenz – digital umsetzt, ist der Softwareriese SAP. Isabelle Schuhmacher ist Sprecherin für den Bereich Sponsorships EMEA & Asia und hat den SAP-Stand auf der Gamescom 2019 begleitet, auf dem das Unternehmen sein E-Sport-Engagement vorstellte. „Vor unserem Engagement bei Dota-Turnieren haben wir intern lange diskutiert“, erzählt sie. SAP ist ein im Bereich Sportsponsoring sehr aktives Unternehmen, es gab zunächst eine gewisse Skepsis dem Engagement im E-Sport gegenüber. Aber Daten sind die Kernkompetenz von SAP, und beim E-Sport fallen digitale Daten nun mal automatisch und en masse an. Man kann sie nutzen und analysieren, um Teams einen Mehrwert zu bieten, um den Fans ihre Lieblingssportart noch besser zu erklären – und um als Unternehmen sichtbar zu werden.

Im Spiel Dota 2 gibt es die sogenannte Pick & Ban-Phase. Dort wählen Teams die Champions, also Spielcharaktere, mit denen sie ins Match gehen wollen, und können andere Champions für die gegnerische Mannschaft sperren, also bannen. Das ist eine strategisch bedeutsame Phase, ein bisschen wie die Mannschaftsaufstellung im Fußball. SAP sammelt Daten über Champions und ihre Performance und analysiert für den erfolgreichen E-Sport-Clan Team Liquid, mit welcher Aufstellung die Mannschaft gegen welchen Gegner Erfolg haben kann, also welche Champions sie wählen und welche sie bannen sollte. Als zusätzlichen Service blendet SAP bei Turnieren Prognosen über die Pick & Ban-Phase für die Zuschauer ein. „Beim ersten Turnier hatten wir eine Trefferquote von 15%, beim zweiten – nachdem wir uns nochmal mit dem Team zusammengesetzt und sehr gut zugehört haben – lagen wir bei 95% Trefferquote“, erzählt Schuhmacher stolz. Auch wenn es Fans gibt, die das nicht besonders begeistert, die meisten freuten sich über den Service, denn so können sie besser nachvollziehen, warum die Spieler welche Helden wählten und bannten.

Das E-Sport-Sponsoring liegt bei SAP übrigens im Verantwortungsbereich von HR, gehört also zu den Employer Branding-Maßnahmen. „Die häufig gut qualifizierten und im IT-Bereich talentierten E-Sport-Fans sollen uns nicht als langweiliges Business, sondern als coolen, potenziellen Arbeitgeber wahrnehmen“, erläutert Schuhmacher den Hintergrund des Sponsorings.

Keine Möhren für Gamer

Nichts verkaufen, sondern mit der eigenen Botschaft zur Zielgruppe vordringen ist auch der Ansatz der Techniker Krankenkasse (TK). Für die kommenden zwei Jahre ist die TK Gesundheitspartner der ESL in Deutschland, bei der seit Juni 2019 bestehenden Kooperation soll die Förderung der mentalen und körperlichen Verfassung der Spieler und Fans im Mittelpunkt stehen. „Das Klischee vom kleinen, dicken, blassen Kellerkind am PC stimmt nicht“, sagt Bruno Kollhorst, Leiter Werbung & HR Marketing bei der TK. Gaming gehöre mittlerweile zur Alltagskultur vieler Versicherter, und die TK engagiere sich für einen gesunden Umgang damit.

Das Mittel, das die Hamburger dafür wählen, ist eine Kombination aus Vor-Ort-Aktivierungen und Online-Content. Wichtig ist: All das muss auf Augenhöhe stattfinden. „Niemand möchte, dass eine Krankenkasse beim Turnier durch die Ränge läuft und mit erhobenem Zeigefinger Möhren an Gamer verteilt“, so Kollhorst pointiert. Stattdessen setzt die TK auf den Turnieren vor Ort auf Bewegung und Spiel. Auf der Gamescom 2019 z.B. hat ein Coach am TK-Stand die beliebten Tänze aus dem Spiel Fortnite gemeinsam mit Besuchern zu einem kleinen Fitnessprogramm umgesetzt. Die Krankenkasse setzt dabei auf Belohnung durch Goodies: Wer solche Aktionen mitmacht, darf gebrandete Giveaways mitnehmen, die zum Umfeld Gaming passen: „Wir haben gezielt Giveaways ausgesucht, die für die Gamescom geeignet sind.“ Kollhorst zufolge kam das Angebot auf der Gamescom insgesamt gut an, die TK habe nicht als Störfaktor gewirkt: „Das ist uns wichtig. Wir wollen nicht nur unser Logo auf einer Veranstaltung platzieren, sondern den Besuchern zusätzlichen Content mit unseren Ständen und Aktionen bieten. Es geht uns darum, mit Gamern in Kontakt zu kommen und auf lockere Weise das Thema gesundheitsbewusstes Leben zu vermitteln.“

Über den E-Sport mit Gamern in Kontakt kommen, das wollen aktuell ziemlich viele Akteure. Erste Stimmen mahnen daher schon zur Eile. Etwa Toan Nguyen, Partner bei der Werbeagentur JvM/sports, der in einem Beitrag für das Branchenmedium Horizont die Kosten für zu langes Abwarten beschreibt und warnt: „E-Sports-Fans und ihre Community sind immer noch markenfreundlich – aber das wird nicht ewig so bleiben.“

// Klara Walk

Fotos: Helena Kristiansson (1), Stephanie Lieske (2), Viola Schuldner (1), © ESL; Wüstenrot & Württembergische AG (1)

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