Sommer, Sonne, Pauschalurlaub? Langweilig! Locken doch abseits vom Massentourismus im Hotelbunker Ferien im Freien. Immer mehr Menschen finden Gefallen daran, einfach mal ins Blaue zu fahren. Was das passende Gefährt betrifft, liegen dabei Komfort, Kompaktheit und Konnektivität ganz weit vorne. Stichworte, die sich werbende Unternehmen für die Ansprache der Zielgruppe schleunigst in ihrem Marketingfahrplan notieren sollten.

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Urlaub machen in den eigenen vier Wänden – das, was in Zeiten von Corona gar nicht mehr anders möglich erscheint, klingt für viele Deutsche nach Traumurlaub. Zumindest fast. Denn sie starten am liebsten mit ihrem rollenden Zuhause in die Ferien. Campingurlaub ist angesagt: 50,5 Mio. Übernachtungen von Touristik-Campern gab es laut einer Untersuchung des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr e. V. (dwif) im Jahr 2018 auf deutschen Campingplätzen. Die Reisemobilisten unternahmen zudem 16,5 Mio. Tagesreisen. Aber warum verbringen so viele ihre Freizeit in vier Wänden von Bürstner, Concorde, Fendt, Hobby, Knaus Tabbert, Pössl und VW? Das Wohnmobil-Vermietungsportal roadsurfer.com hat fünf Gründe für den Trend gesammelt: Erstens erinnern sich Erwachsene gerne an die Campingurlaube in der eigenen Kindheit zurück und möchten die Erfahrungen von damals nun mit der eigenen Familie wiederholen. Zweitens lockt das Freiheitsgefühl, denn – je nach Wetter- und Gemütslage – die Route kann jeden Tag neu bestimmt werden. Dass Camping heutzutage nicht mehr bedeutet, sich in Verzicht üben zu müssen, befeuert den Hype ebenso wie der Umstand, dass eine Nacht auf dem Campingplatz deutlich günstiger ist als eine Nacht im Hotel. Als fünften Grund nennt roadsurfer das Robinson-Crusoe-Phänomen: Inmitten von Feuerstelle, Zeltaufbau, Mückenschwarm und Sternenhimmel stelle man sich ganz in Do-it-yourself-Manier neuen Herausforderungen. Wer dabei Emaille-Tasse, Can Cooler, Schlüsselband oder Feuerzeug benötigt, findet online das passende, mit roadsurfer-Logo gebrandete Exemplar.

Individuell auf Achse

Unschlagbarer Vorteil vom Campen: Jeder Trip lässt sich auf die eigenen Interessen, Hobbys und Vorlieben zuschneiden. Kein Wunder also, dass die im Oktober 2018 gestartete Imagekampagne des CIVD (Caravaning Industrie Verband e.V.) das Motto „Du kannst alles. Musst du aber nicht.“ trägt, fasst es doch das Caravaning-Alleinstellungsmerkmal pointiert zusammen. Um ein Höchstmaß an Authentizität zu schaffen, wurden die Fernsehspots zur Kampagne mit einer echten Familie und tatsächlichen Freunden gedreht, die auch in Wirklichkeit Caravaning-affin sind. Der TV-Sender DMAX realisierte zusammen mit CIVD sogar eine ganze Serie: In Caravaning & Cooking – Brian auf großer Tour macht der dänische Koch Brian Bojsen kulinarische Roadtrips durch ganz Europa, lernt Land, Leute und Lebensmittel kennen und bereitet in jeder Folge in einem anderen Freizeitfahrzeug ein passendes Menü zu. Neben hoher Flexibilität versprechen Wohnmobil- und Zelturlaube große Abenteuer und zugleich eine Besinnung auf das Wesentliche, Lagerfeuerromantik und Sternenhimmelzauber, viele Kilometer auf Asphalt und trotzdem Nähe zur Natur. Dabei ist vom Familienurlaub auf dem Campingplatz nebenan über Städtetouren, Festivalaufenthalte und Kurztrips in die Wildnis bis hin zur Weltreise auf vier Rädern alles möglich. In die weite Ferne wie Brian Bojsen zieht es allerdings längst nicht jeden. Platz für Urlaub im eigenen Land gibt es schließlich genug: Das Statistik-Portal Statista zählte 2018 deutschlandweit 2.979 geöffnete Campingplätze mit rund 223.600 angebotenen Stellplätzen. Und auf denen tummeln sich ganz schön viele Kröten: Im Schnitt legen Käufer nach Angaben des CIVD nämlich rund 73.000 Euro für ein neues Wohnmobil hin. Und damit nicht genug: Insgesamt 4,4 Mrd. Euro haben die Outdoor-Enthusiasten laut dwif-Studie allein 2018 für Equipment wie Vorzelte, Markisen, Tische, Kocher, Grill, Kühlboxen, Gaskartuschen und Wasserfilter ausgegeben.

Unverzichtbare Accessoires lassen sich auch in den Merchandising-Shops der Freizeitwagen-Anbieter ordern. Ein breites Sortiment – von Kuscheldecken, Kulturtaschen und Bademänteln bis hin zu Regenschirmen, Schlüsselanhängern und Armbanduhren – bietet z.B. Hymer. Für mitreisende Vierbeiner gibt es Hundedecken und Leinen, die ein dezentes Firmenlabel tragen. Besonders konsumfreudig sind mit Sicherheit die Reisemobil-Rentner, die genug Zeit hatten, auf ein luxuriöses Wohnmobil zu sparen, und die Dauercamper, die ihren Stellplatz bereits in dritter Generation bewohnen. Jeder Erstgeborene aus der Familie hat selbstredend den Platzwart zum Patenonkel. Karikaturist Harald Hornig hat in einem Wimmelbild noch zwölf weitere Camper-Typen klassifiziert, die Sophia Pfisterer, Redakteurin beim Camping-Magazin Caravaning, mit einem Augenzwinkern beschreibt. Da wäre z.B. noch der Survival-Camper, der am liebsten einen Bären mit bloßen Händen bezwingen würde, und der Surferboy, der nächtelang Gitarre spielt, um die Mädels zu beeindrucken. Der Hipster bloggt ohne Unterlass, da seine Urlaubskasse per Crowdfunding-Kampagne gefüllt wird. Er hat seinen Bus selbst ausgebaut, will dem Kapitalismus entsagen, wäre aber trotzdem gerne Start-up-Millionär.

Back to the roots, aber bitte digital

mike holford w p0YMadjSA unsplash - Ein Markt in BewegungWer gerne besonders komfortabel kampiert, für den hat die Reisebranche das Modewort Glamping erfunden. Die Kurzform des Begriffes „Glamorous Camping“ steht für die luxuriöseste Variante des Campingurlaubs. Glamper sind in opulent ausgestatteten Wohnmobilen unterwegs. Manche der weißen Riesen besitzen sogar eine eigene Heckgarage, in der ein Mini, Smart oder Fiat 500 Platz findet. Aber auch noble Anlagen mit Bungalows, Baumhäusern, Safarizelten oder Holzfässern laden zum Glamping ein – nahturnaher Urlaub inklusive Room Service und Wellnessbehandlung. Im Gegensatz dazu nimmt aktuell eine Bewegung Fahrt auf, die den minimalistischen Lebensstil auf die Straße bringt: Kompakte Campingbusse und Kastenwagen ohne viel Schnickschnack boomen, denn sie sind nicht nur bezahlbar, sondern auch praktisch: Fahrten in vollgestopften Großstädten und auf engen Passstraßen werden mit den wendigen Kleinbussen zum Kinderspiel. Mitgenommen wird so wenig wie möglich, dennoch dürfen Erste-Hilfe-Set, Multifunktionstool und Dosenöffner ebenso wenig fehlen wie eine gute Lampe und bruchsicheres Geschirr. Auch für wetterfeste Kleidung, wärmende Socken, eine Sonnenbrille und schnelltrocknende Handtücher bleibt immer eine Schublade frei.

War das Herumreisen im Reisemobil früher überwiegend bei Älteren beliebt, genießen heutzutage immer mehr junge Leute die Unabhängigkeit auf vier Rädern. 23% der Deutschen, die sich in den nächsten fünf Jahren für einen Caravaningurlaub interessieren, fallen laut einer Studie des Marktforschungsinstituts GfK in die Altersgruppe zwischen 25 und 34 Jahren. Die deutliche Mehrheit der Interessierten ist jünger als 45 Jahre. Auch der Blick in die sozialen Medien, wo die jüngeren Caravanisten mit dem Hashtag #vanlife ihre Reiseerlebnisse teilen und sich mit der Community vernetzen, macht deutlich, dass das Bild vom Gartenzwerg-Dauercamper ausgedient hat. Die Vernetzung ist auch in anderen Bereichen auf dem Vormarsch. So lassen sich die Geräte im Freizeitmobil über ein zentrales Bedienelement digital anwählen, am Smartphone sind die Füllstände von Gasflasche und Wassertank ablesbar, und Heizung oder Klimaanlage werden via App bedient. Von werbenden Unternehmen lässt sich die jüngere Zielgruppe daher ideal mit smarten Gadgets wie Multifunktionskabeln, Powerbanks und Handyhalterungen ansteuern. Für einen Wow-Effekt sorgen Kombigeräte: So gibt es doch tatsächlich einen Campingkocher, der die Wärme, die beim Kochen entsteht, in Strom umwandelt. Während die Nudeln garen, wird ganz nebenbei das Handy aufgeladen. An die abgesteckte Parzelle mit vergilbtem Lattenzaun und wackeligem Klapptisch, in der Opa Heinz im Doppelripp aus seinem orange-braungestreiften Vorzelt lugt, denkt da sicher niemand mehr.

// Jasmin Oberdorfer

Bildquelle: unsplash.com/Mike Holford, Thom Holmes, Tegan Mierle

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