Ludwig van Beethoven wäre in diesem Jahr 250 Jahre alt geworden. Eine in Bonn gegründete Beethoven Jubiläums GmbH begeht diesen Geburtstag u.a. mit einer offiziellen Merchandisingkollektion, eigens zum Jubiläum entworfen. Das Ziel: Beethovens Vielschichtigkeit in die aktuelle Zeit zu kommunizieren – für die Kunst, für die Kulturmarke Beethoven und für die Stadt Bonn.

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„Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium“ – klang es am 22. März 2020 abends um 18 Uhr vielfach in Deutschland: Auf Terrassen, in Gärten, von Balkonen herunter oder einfach aus dem geöffneten Fenster heraus sangen Menschen oder spielten die Melodie mit Instrumenten. Die Aktion sollte ein kurzer Lichtblick in Zeiten der Covid-19-Pandemie sein. Kurz wurde im Kleinen wahr, was die Ode an die Freude besagt: Diese „Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt“. Oder eine Pandemie. Die Textzeilen der Ode an die Freude stammen von Friedrich Schiller. Sie wären heute sicherlich dem ein oder anderen, der sie nun gesungen hat, unbekannt, hätte Ludwig van Beethoven sie nicht im 4. Satz seiner 9. Symphonie vertont. Beethoven verbindet, nicht nur durch Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote voneinander getrennte Familien, Freunde und Nachbarn, sondern auch die Europäer in der offiziellen Hymne der Europäischen Union, und er verbindet über Kontinente und Kulturen hinweg: In Asien ist Beethovens Musik besonders beliebt. Stattliche 250 Jahre alt wäre der Komponist in diesem Jahr geworden. Zu diesem runden Geburtstag waren eigentlich unzählige Veranstaltungen geplant. Besonders feierlich wollte Beethovens Geburtsstadt Bonn das Jubiläum begehen, orchestriert vom dort ansässigen Beethoven-Haus und der eigens zu diesem Anlass gegründeten Beethoven Jubiläums GmbH, eine Tochtergesellschaft der Stiftung Beethoven-Haus Bonn. Unter dem Schriftzug „BTHVN2020“ bündelt und kommuniziert die Jubiläumsgesellschaft die vielfältigen Aktivitäten zum Geburtstag des Klassikers aus dem Rheinland. Viele Veranstaltungen mussten zwar im Zuge der Corona-Krise abgesagt werden. Nichtsdestoweniger prangt der markante Schriftzug nicht nur auf einer eigens zum Jubiläum eingerichteten Website, sondern auch auf einer Kollektion von Merchandisingartikeln.

Marketing, Markenpflege und Merchandising für einen 250 Jahre alten Komponisten, den die ganze Welt kennt – ist das nötig? Ja, sagt Hans-Conrad Walter, Geschäftsführer der auf Kulturmarketing und Kultursponsoring spezialisierten Beratungsagentur Causales, Veranstalterin des KulturInvest!-Kongresses. „Mit trendsetzenden Marketingkonzepten und individuellen Markenwerten positionieren sich Kulturanbieter als Leuchttürme oder auch als Laboratorien im Kulturmarkt, mitunter auch als gesellschaftliche und ökonomische Impulsgeber“, sagt der Kulturmanager. Lange haben viele öffentliche (Kultur-)Institutionen die Begriffe Markt, Marke und Marketing gescheut wie der Teufel das Weihwasser, aber: „Da hat es mittlerweile einen erfreulichen Paradigmenwechsel gegeben.“ U.a. eine mutige, emotionale Markenpflege sei heute wesentlicher Bestandteil der DNA von Ländern, Städten und Kulturinstitutionen, um ihre Zielgruppen anzusprechen und zu überzeugen. Nicht zu vergessen: Mit professionellem und durchdachtem Marketing lässt sich die Kulturvermittlung auf eine finanziell breitere Basis stellen, indem z.B. Sponsoren und Investoren angesprochen werden. Und Merchandising, so Walter, sei ein zur Kundenbindung unverzichtbares Instrument des Kulturmarketings. Denn was für viele Fußballvereine gilt, hat in mancher Hinsicht auch für Kulturinstitutionen Gültigkeit: Es geht weniger um rationalen Nutzen, mehr um emotionale Bindung, Identität und Sinn. „Kultur besitzt, woran es Wirtschaftsmarken oft mangelt: große Emotionen, Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit“, fasst Walter zusammen. Kauf und Nutzung von Merchandisingartikeln zeigen solch eine Bindung, und natürlich trägt ihr Erlös zur Finanzierung kultureller Aktivitäten bei.

Mit der Zeit gegangen

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Ottmar Hörls Skulptureninstallation Ludwig van Beethoven – Ode an die Freude in Bonn 2019.

Bei der Beethoven-Jubiläumsgesellschaft hat man das früh begriffen und gemeinsam mit der breit aufgestellten Krefelder Agentur BrandOn eine Merchandisingkollektion entwickelt, die nicht einfach nur die allgemein bekannten Porträts Beethovens oder Auszüge aus Partituren als Motive zeigt, sondern die Mehrdimensionalität des Komponisten und seine Aktualität widerspiegeln soll. Sebastian Retz ist Teilhaber bei BrandOn und als eine Art Chief Creative Officer für das Gestalterische verantwortlich. In Zusammenarbeit mit dem Beethoven-Haus hat er die Merchandisingkollektion mit dem markanten Schriftzug entwickelt. „Ich denke bei solchen Projekten weniger in Zielgruppen, sondern in den Kategorien ‚gefällt‘ oder ‚gefällt nicht‘“, erklärt Retz die Herangehensweise und warum in der Kollektion v.a. Artikel zu finden sind, die auch ein jüngeres, nicht von vorneherein E-Musik-affines Publikum ansprechen sollen: „Das T-Shirt mit dem Schriftzug BTHVN2020 kann man natürlich als Beethoven-Fan tragen, aber auch als DJ – schließlich ist Popmusik sehr von Beethoven beeinflusst, ohne dass das den Künstlern immer klar wäre. Beethoven ist für mich kein verstaubter Klassiker, sondern ein echter Rockstar.“

Das Wichtigste für Rockstars, egal ob 25 oder 250 Jahre alt: Authentizität. Um die in der Merchandisingkollektion umzusetzen, hat sich Retz bei der Entwicklung der Kollektion ausführlich mit Beethoven beschäftigt und viele Gespräche mit den Experten im Bonner Beethoven-Haus geführt. So erfuhr er etwa, dass der Komponist aus dem Rheinland sich regelmäßig Kölnisch Wasser an seinen Wohnort Wien hat liefern lassen, oder dass der passionierte Kaffeetrinker Beethoven das Heißgetränk am liebsten alleine genossen hat. Auch Zitate haben sich dem Designer eingeprägt und prangen nun auf Merchandisingartikeln, z.B. „Man muss was sein, wenn man was scheinen will“. Dieses Beethoven´sche Bonmot findet sich auf T-Shirts, auf Taschen und Rucksäcken. Dass es von Beethoven stammt, erkennt nur, wer genau hinsieht und den BTHVN2020-Schriftzug entdeckt. Denn der Leitgedanke hinter der Kollektion war nicht, den Namen „Beethoven“ überall groß anzubringen und dann darauf zu warten, dass sich das alles verkauft und Geld in die Kassen spült. Der Anspruch war ein anderer: Es ging um nichts Geringeres, als mit Hilfe des Merchandisings auch Geschichten über den Menschen, den Tonkünstler, den Visionär und Humanisten Beethoven zu erzählen. Die Kollektion beinhaltet u.a. Caps und Rucksäcke, weil es nun einmal beliebte Merchandisingprodukte sind, auch wenn Beethoven sie sicher nicht getragen hat. Es soll aber im Jahresverlauf Merchandisingartikel geben, hinter denen tatsächlich Aspekte aus Beethovens Leben stehen – so entwarf Retz etwa eine Musikbox in Kofferform und ein Kofferset, eben weil Beethoven häufig auf Reisen war. Es soll ein Single-Kaffeeset geben, nicht nur weil Tassen ein beliebtes Souvenir sind, sondern v.a. weil Beethoven eben gerne Kaffee getrunken hat, und zwar alleine.

Auch der Schriftzug „BTHVN2020“ ist nicht einfach ein Zugeständnis an den Zeitgeist – Beethoven hat Briefe und Partituren gelegentlich mit dieser Abkürzung unterschrieben. Für den Designer ist dieser Schriftzug ein „Volltreffer“, aber nicht bei allen Beteiligten ist der Funke sofort übergesprungen, berichtet Retz: „Natürlich gab es bei der Konzeption auch kritische Stimmen zu dieser Verkürzung.“ Überzeugen konnte Retz mit dem Argument, dass genau dieser Ansatz denjenigen gefallen wird, die die Kollektion später kaufen sollen und im besten Fall in die ganze Welt tragen, um so Beethoven und seine Geburtsstadt Bonn auch im öffentlichen Bewusstsein (wieder) enger miteinander zu verknüpfen. Kundenperspektive, Kundennutzen, Kundenzufriedenheit – für die meisten Kulturinstitutionen sind das heute gängige Vokabeln, berichtet Kulturmarketing-Experte Walter: „Diese Dinge sind wesentliche Bestandteile innovativer Kulturmarketingstrategien. Man könnte es eine Kunstform des 21. Jahrhunderts nennen.“ Dementsprechend war der Leitgedanke hinter dem Jubiläumsmerchandising auch die Frage, wer Beethoven heute wäre, lebte er jetzt. Für Retz ist die Sache klar: „Garantiert kein Klischeespießer, und vermutlich auch nicht dieser monumentale Griesgram, als den man ihn sich heute im Allgemeinen vorstellt.“

Freude!

Beethovenwürfel 36er Holzetui freigestellt - Rockstar 2020Eine etwas sympathischere Wahrnehmung von Beethoven zu schaffen, das war auch eines der Ziele, mit denen der international renommierte Konzeptkünstler Ottmar Hörl an die Arbeit gegangen ist. Auf Einladung von city-marketing bonn e.V. – einem Zusammenschluss von Bonner Geschäftsleuten – in Kooperation mit dem Verein Bürger für Beethoven und der Jubiläumsgesellschaft hat Hörl anlässlich des 250. Geburtstags etwas Seltenes entworfen: eine lächelnde Beethoven-Figur. „Für Musiker ist Beethoven ein Gott, eine unerschöpfliche Inspirationsquelle. Doch alle Welt kennt ihn nur missmutig. Höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel in der kollektiven Wahrnehmung, höchste Zeit für ein sympathischeres visuelles Beethoven-Bild. Von Bonn aus wird es in die Welt verbreitet“, erläutert der Künstler den Hintergrund seines Werks. Insgesamt 500 Statuen in Opalgrün und Gold waren bereits im Frühsommer 2019 als Großinstallation Ode an die Freude auf dem Bonner Marktplatz zu sehen. Damit Bonn nicht nur theoretisch und historisch Beethovenstadt ist, gehörte die Auflösung der Großinstallation in die Bürgerschaft hinein mit zum Konzept der Aktion, die in Bonn auch unter dem Namen „Unser Ludwig“ bekannt ist: Für 300 Euro konnte jeder eine Patenschaft für eine der Statuen erwerben und sich seinen persönlichen, freundlich lächelnden Ludwig nach Auflösung der Installation ins Wohnzimmer stellen.

Knirschig wie Ludwig

Auch die Wirtschaft der Region hat sich zum Jubiläum etwas einfallen lassen: „Oliver Coppeneur und der Direktor des Beethoven-Hauses haben gemeinsam die Idee für den Beethovenwürfel entwickelt“, erzählt Alexander Mehnert, Geschäftsführer der Confiserie Coppeneur aus Bad Honnef. Dabei geht es nicht einfach nur um ein Stück Naschwerk im Namen Beethovens. Im Gegenteil, bei der Entwicklung der Süßigkeit achtete Oliver Coppeneur immer auf einen Bezug zu Beethovens Person. „Knirschig wie Ludwig“ laute im Grunde das Motto, so Geschäftsführer Mehnert: „Wir haben im Beethovenwürfel u.a. Knuspernougat verarbeitet – nicht nur, weil es gut schmeckt, sondern weil Beethoven so ein knarziges Image hat. Auch der Überzug aus weißer und dunkler Schokolade sieht nicht einfach nur gut aus, sondern symbolisiert eine Klaviatur.“ Manche fänden das zwar etwas übertrieben, erzählt Mehnert, aber die meisten lassen sich darauf ein und sind begeistert von der handwerklich hergestellten Praline.

Ursprünglich sollte der Beethovenwürfel nur im Shop des Beethoven-Hauses erhältlich sein, aber die rheinische Analogie zur Salzburger Mozartkugel war derart begehrt, dass Coppeneur die Praline nun auch über die eigenen Geschäfte und über Handelspartner verkauft. Coppeneur liefert nicht nur an private Endverbraucher, sondern stellt auch individualisierte süße Giveaways für Unternehmen her. Gerade beim Beethovenwürfel beobachtet Mehnert eine hohe Nachfrage von Unternehmen aus der Region: „V.a. Mittelständler oder auch Einzelunternehmer rund um Bonn bestellen die Beethovenwürfel gerne, um sie ihren Gästen zur Begrüßung anzubieten.“ Ein Stück kulturelle Identität zum Genießen und Repräsentieren also – exakt das, was auch Ziel der Aktivitäten rund um den Komponisten-Geburtstag ist: Beethoven als Teil der Bonner Kultur- und Stadtgeschichte wieder sichtbar zu machen und als Standortfaktor für das Rheinland zu nutzen. Kulturell, aber auch für die regionale Wirtschaft. Zum Herbst soll es einen „Beethovenwürfel 2.0“ mit hochwertigerer Verpackung geben. „Natürlich trifft auch uns die aktuelle schwierige Situation aufgrund der Pandemie, z.B. werden unsere Lieferketten brüchig, und wir können mit dem Beethovenwürfel aufgrund der ausfallenden Veranstaltungen ausgerechnet im Beethoven-Jahr gerade nicht besonders viel Neukundengeschäft generieren. Aber der Beethovenwürfel ist für uns kein auf 2020 beschränktes Projekt“, sagt Mehnert und kündigt an: „Warum soll es neben der Mozartkugel in künftigen Jahrzehnten nicht auch einen ebenso ikonischen Beethovenwürfel geben?“

Money, Money, Money!

Was Mozart marketingtechnisch für Salzburg ist, das soll Beethoven für Bonn werden? Das ist eine der Zielsetzungen all der Aktivitäten, aber bei Weitem nicht alles, beobachtet Kulturmarketing-Experte Walter: „Beethoven erlebt parallel zum innovativen Programm des Jubiläumsjahres über die Nutzung der Merchandisingartikel eine ganz neue Lebendigkeit und Erinnerung in der Öffentlichkeit. Seine moderne Denkweise wird zum Vorbild für die junge Generation.“ Das liegt nicht zuletzt am zeitgemäßen Design und an der Auswahl der offiziellen BTHVN2020-Merchandising-Produktlinie. „Die aus meiner Sicht vielfältigste Kulturmarke Europas im Jahr 2020 bietet mit dem Merchandising auch die Möglichkeit, sich mit Beethovens Liebe zur Musik und seinen auch für den heutigen Zeitgeist modernen Charaktereigenschaften zu identifizieren und damit selbst Haltung zu zeigen“, sagt Walter. Diese Wirkung von Merchandising ist natürlich nicht auf besondere Anlässe beschränkt, sondern das ganze Kulturjahr über etwa in Museumsshops präsent. Den Haken an der Sache sieht Walter v.a. in den hohen Anfangsinvestitionen, die sich nicht jede Kulturmarke und solche, die es werden wollen, ohne Weiteres leisten könne: „Eine Lösung könnte die Zusammenarbeit mit bestehenden Partnern und Sponsoren des Kulturanbieters sein, die aus ihrem eigenen Produktportfolio Merchandisingartikel herstellen und mit der Kulturmarke labeln.“

Digital & haptisch

IMG 9065 - Rockstar 2020Generell gilt: Bewährte Methoden des Marketings wie z.B. Merchandising helfen sicher, Kulturmarken aufzubauen oder bereits etablierte Marken wie Ludwig van Beethoven zeitgemäß zu präsentieren, die Aktualität seiner Werke in die Gesellschaft zu transportieren und den berühmten Bonner erneut mit seiner Geburtsstadt zu verbinden. Aber insbesondere der digitale Transformationsprozess stellt die ein oder andere Kulturmarke (noch) vor besondere Herausforderungen; er beinhaltet allerdings auch große Chancen. Selten zuvor zeigte sich das so eindrücklich wie jetzt, findet Walter: „Gerade die aktuelle Situation, in der das analoge, kulturelle Leben vollständig zum Erliegen gekommen ist, zeigt auf, dass die digitale Kulturvermittlung eine ergänzende Lösung bietet, um das systemrelevante Lebensmittel ‚Kultur‘ zu vermitteln.“ Dementsprechend haben auch das Beethoven-Haus und die Jubiläumsgesellschaft reagiert: Newsletter informieren Interessierte über digitale Musikvermittlung und virtuelle Museumsrundgänge, die Agentur BrandOn arbeitet an virtuellen Beethoven-Events, die bei weiterbestehenden Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen Kulturgenuss und -vermittlung in die Wohnzimmer bringen sollen. Ausschließlich virtuell soll es aber nicht bleiben, sagt Designer Sebastian Retz, haptische Unterstützung steht ja bereit: „Die Merchandisingkollektion könnte diese Events bereichern, indem wir sie etwa angemeldeten Teilnehmern als Erinnerung an ein sehr besonderes Beethoven-Jahr zuschicken. Ideen haben wir einige, wir arbeiten an den entsprechenden Lösungen.“

// Klara Walk

Fotos: Jens C. Friedrich, © WA Media (1); Confiserie Coppeneur et Compagnon (2); Wolfgang Günzel (2)

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