Miles & More ist Europas führendes Vielflieger- und Prämienprogramm – der Bogenschlag von der Welt der Airline zum Einzelhandel. Jetzt wird der Retailbereich neu positioniert. Jens Polkowski, Head of Direct Marketing bei Miles & More, über die Kraft des Kranichs, den Charme von Shoppingenten und respektable Responseraten haptischer Mailings.

FOT Miles More LH Upcycling Collection Reiseaccessoires - „Wir verkaufen ein Stück Luftfahrtgeschichte“

Herr Polkowski, seit 2018 arbeitet Miles & More an der Neuausrichtung des gesamten Sales- & Retailbereichs. Dazu zählt auch ein neuer Markenauftritt der Lufthansa WorldShops, den Sie ebenfalls betreiben. Worum geht es dabei?

Jens Polkowski: Konsum und Mediennutzung haben sich in den vergangenen Jahren rasant verändert. Darauf müssen wir reagieren und neue Antworten finden. Im Kern geht es um eine stärkere Kundenzentrierung. Mit individuellen Angeboten, personalisierten Services und direkter Kommunikation wollen wir in der Lebenswelt unserer Kunden so relevant wie möglich sein. Ein weiteres Ziel ist die Stärkung des Cashverkaufs. Beim Einlösen der Prämien stoßen wir naturgemäß an Grenzen, der Verkauf unserer Produkte ist dagegen noch stark ausbaufähig.

Was bedeutet das für das Angebot der Lufthansa WorldShops?

Jens Polkowski: Wir wollen stärker kuratierend tätig werden und eigene Produkte entwickeln. Ein Ansatzpunkt ist z.B. der Drei-Letter-Code der Flughäfen, den wir spielerisch auf Taschen und Produkten wie dem Koffergurt LOV THS BAG einsetzen. Zur Neueröffnung unseres Stores am Frankfurter Flughafen haben wir außerdem Dutzende von Aufklebern entworfen, denen weitere Motive folgen werden. Diese kleinen charmanten Umsetzungen generieren zwar keinen großen Umsatz, beflügeln jedoch, wenn sie gut gemacht sind, die Sammelleidenschaft und steigern die Besucherfrequenz. Und damit wären wir schon ein großes Stück weiter.

FOT Miles More LH Upcycling Collection Produkt Wall Bar 2019 200x167 - „Wir verkaufen ein Stück Luftfahrtgeschichte“

FOT Miles More Upcycling Entwicklung und Produktion 07 2019 200x167 - „Wir verkaufen ein Stück Luftfahrtgeschichte“

„Second Life“ für Flieger: Aus einem ausrangierten Airbus A 340-600 entstand eine exklusive Upcycling-Kollektion.

Im Sommer 2019 wurde im Lufthansa WorldShop eine Upcycling-Kollektion vorgestellt, die aus Teilen einer ausgeflotteten Lufthansa-Maschine und der ausrangierten Innenausstattung entstanden ist. Unter den Designprodukten: ausgefallene Möbelstücke wie eine Wall Bar oder ein Coffee Table sowie verschiedene Reiseaccessoires. Wie ist die Idee zu dieser Upcycling-Kollektion entstanden?

Jens Polkowski: Viele Lufthansa-Fans wünschen sich nichts sehnlicher, als ein Stück der Airline zu besitzen. Als sich für uns dann die Gelegenheit ergab, zusammen mit Lufthansa und Lufthansa Technik einen ausgeflotteten Airbus fachgerecht zu zerlegen und daraus eine Kollektion zu entwickeln, haben wir nicht lange gezögert. Parallel zur Produktion wurde ein stimmiges Verpackungskonzept entwickelt und der gesamte Prozess mit Storytelling-Formaten begleitet. So gibt es zum Making-of der Kollektion einen Film, der u.a. auf unserer Website und mobil mittels der Miles & More-App über die NFC-Tags an den Produkten im Store aufgerufen werden kann.

Im August 2019 wurde die Kollektion gelauncht. Wie kamen die limitierten Sonderanfertigungen an?

Jens Polkowski: Innerhalb von drei Tagen war der Großteil der Kollektion ausverkauft. Das zeigt uns, wie groß die Sehnsucht danach ist, eigene oder auch erzählte Geschichten mithilfe von Produkten immer wieder aufleben zu lassen. Auf diese Weise lässt sich die Faszination des Fliegens ein Stück weit in den Alltag hinüberretten. Wir verkaufen also im Grunde genommen weder eine Wandbar noch eine Laptoptasche, sondern mitschwingende Gefühle – ein Stück Luftfahrtgeschichte. Die Auswahl der Produkte ist dabei ein ganz entscheidender Aspekt: Es genügt nicht, einen Kranich einfach nur in Stücke zu schneiden, Produkte, Qualität und Design müssen auch zur Marke passen.

Welche Überlegungen spielen generell bei der Auswahl und der Präsentation der Prämien und Produkte eine Rolle?

Jens Polkowski: Neben der Markenpassung sind finanzielle Kriterien wie das Preis-Leistungs-Verhältnis oder die Höhe der Margen bei der Auswahl wichtig. Und natürlich müssen sich die Artikel in der Zielgruppe gut abverkaufen lassen. Aus Marketingsicht kann es dabei durchaus sinnvoll sein, ein anderes Produkt zu präsentieren, als der Kunde letzten Endes kaufen wird. Ein roter Koffer lässt sich z.B. sehr dekorativ im Shop platzieren, auch wenn wir genau wissen, dass die Buntheit mit Mausgrau, Sealgrau, Schwarzgrau, Anthrazit und Blau im Businessbereich bereits ausgereizt ist.

Im Dezember 2019 fand die Eröffnung des neu gestalteten Lufthansa WorldShops im Frankfurter Flughafen statt. Welche Veränderungen gehen mit der Neuausrichtung der stationären Shops einher? Wie gestaltet man heute ein zeitgemäßes Einkaufserlebnis?

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Neu erlebbar: Mit personalisierter Kundenansprache, Hintergrund-Storys und Merchandising setzt das neue Store-Konzept des Lufthansa WorldShops auf ein individuelles Kundenerlebnis.

Jens Polkowski: Indem wir die Marke lebendiger und nahbarer machen, wird der Point of Sale zum Point of Experience. Die NFC-Tags für spannende Hintergrund-Storys sind dafür nur ein Beispiel. Ein weiteres ist die Vending Machine, an der Kunden Reiseaccessoires wie Nackenhörnchen, Ladegerät oder Schlafbrillen kaufen, aber auch Discount Voucher einsetzen und kleine Preise wie Koffergurte oder Motive unserer begehrten Postkartenkollektionen gewinnen können. Zur Eröffnung haben wir hierfür mittels Geotargeting Push-Nachrichten mit QR-Codes ausgespielt, die die Empfänger an der Maschine einsetzen konnten. Solche Aktionen sind prinzipiell überall einspielbar – von Flyern über Gepäckabschnitte im Check-in- Bereich bis hin zu Newslettern.

Setzen Sie über solche Aktionen hinaus haptische Werbung ein?

Jens Polkowski: Im vergangenen Jahr haben wir z.B. Pins mit sieben WorldShop-eigenen Motiven in den Lufthansa Lounges verteilt. Auch diese Aktion wurde von einem Flyer mit Code flankiert. Im Prinzip ist die Mechanik immer recht ähnlich: Wir liefern den Kunden Anlässe, unsere Shops zu besuchen, und bieten ihnen dort dann ein attraktives und interaktives Erlebnis. Die Motive der Pins, darunter Strandschuhe und eine Badehose, finden sich dann übrigens nach und nach auch als Produkte in unseren Stores wieder. Darüber hinaus haben wir jüngst die erste World-Shop-Shoppingente herausgebracht. Aus dem First Class Terminal der Lufthansa wissen wir, wie gut sich über diese Enten das Sammelfieber entfachen lässt: Aus einem ersten Modell sind dort inzwischen mehr als 100 verschiedene Enten entstanden – jede von ihnen in limitierter Auflage.

Sie verantworten in Ihrem Bereich auch die Druckmedien. Während sich Unternehmen wie Audi oder Otto von ihren Printkatalogen verabschiedet haben, setzen Sie mit den Lufthansa WorldShop- und Inflight Shopping-Katalogen weiterhin auf die Wirkung von Print? Was können diese Tools für Miles & More tun?

Jens Polkowski: Auch heute noch gibt es beim Start des Flugzeugs diesen Moment der elektronischen Stille, in dem die Menschen fast schon automatisch zum Katalog greifen. Diese Gelegenheit wollen wir nicht verstreichen lassen. Zudem werden unsere Kataloge sehr geschätzt. Aus Gruppendiskussionen wissen wir, dass sich unsere Kunden über gedruckte Lufthansa Medien freuen und die Kataloge nicht nur aufheben, sondern auf dem Schreibtisch oder Coffee Table auslegen. Zudem sind diese Medien keine reinen Produktpräsentationen, sondern dienen unseren Kunden mit Interviews und Hintergrundgeschichten auch als Inspirationsquelle.

Welche Rolle spielt die Haptik bei Mailings?

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Interaktiver Ansatz: Die Vending Machine mit direkter Produktausgabe und Gamification-Elementen zählt zu den Highlights des neu gestalten Stores am Frankfurter Flughafen.

Jens Polkowski: Unser Dialogmarketing zeigt: Man sollte ihre Bedeutung nicht unterschätzen. Als Lufthansa vor einigen Jahren erstmalig Santorini anflog, haben wir an 20.000 Kunden Postkarten von der Insel verschickt. Sie waren exakt so gestaltet wie die Karten, die es auch am Strandkiosk zu kaufen gibt: mit Hochglanzlack und Passerfehlern, ein bisschen verbogen und an den Seiten eingerissen. Die verschiedenen Texte, zielgruppengenau formuliert, stammten von Robotern, die Handschriften täuschend echt imitieren können. Der vermeintliche Absender: „Miles“ aus Santorini. Dieses Mailing ist unglaublich gut angekommen: An dem daran gekoppelten Gewinnspiel haben 3.900 Personen teilgenommen – eine Beteiligung, die wir nicht für möglich gehalten hätten.

Das heißt, bei Miles & More ist Print noch sehr lebendig …

Jens Polkowski: Richtig eingesetzt steckt in Printprodukten viel Potenzial. Vor zwei Jahren haben wir z.B. ein sehr erfolgreiches Mailing zum Black Friday aufgesetzt: Dazu wurde an 30.000 Kunden ein schwarzer DIN lang-Umschlag mit weißem Etikett verschickt. Im Inneren: eine schwarze Karte mit silberfarbener Folienschrift und einem Gutscheincode. Parallel dazu haben wir in derselben Optik E-Mails versendet. Das Ergebnis: Die haptische Variante erzielte eine zehnfach höhere Conversion Rate. Das war sensationell und für uns Grund genug, die Aktion 2019 mit 100.000 Kunden und einem ganz ähnlichen Effekt zu wiederholen. Gleichzeitig haben wir beim Vergleich verschiedener Printmailings festgestellt, dass sich die Responsequote mit gezielten Veredelungen enorm steigern lässt, oft bis zu 50%. Viele Laien gehen davon aus, dass haptische Werbeformen wesentlich teurer sind als ihr digitales Pendant. Das muss aber nicht zwingend so sein. Wer seine Zielgruppe kennt und die Kommunikation zielgruppengenau steuern kann, kommt mit der Printansprache oft sogar günstiger weg.

Als führendes Vielflieger- und Prämienprogramm mit mehr als 25 Jahren Erfahrung ist Miles & More ein Experte für die Kundenansprache und -bindung. Von Big zu Smart Data: Wie personalisiert sprechen Sie die Teilnehmer an?

Jens Polkowski: Die datenbasierte Kundenkommunikation ist für uns in allen Bereichen sehr wichtig – von Promotions über Newsletter bis hin zur Ansprache in den Shops. Wir möchten sehr relevant kommunizieren: zur richtigen Zeit personalisierte, passgenaue Inhalte bieten. Wenn uns die Kunden die Erlaubnis dazu erteilen, können wir unsere Angebote mithilfe ihrer Daten und unter Berücksichtigung von Vergleichsmustern sehr zielgerichtet ausspielen. Dabei vermeiden wir jedoch jede Kommunikation, die dem Kunden allzu offensichtlich signalisiert, dass wir bestimmte Informationen, wie z.B. einen bevorstehenden Flug, für die Ansprache nutzen.

191209 WS Enten 06 - „Wir verkaufen ein Stück Luftfahrtgeschichte“

191120 WS Taschen Pins 79 - „Wir verkaufen ein Stück Luftfahrtgeschichte“

Auch im stationären Shop setzt Miles & More mit innovativer Technik auf individuelle Kundenansprache. Was beinhaltet das neue Raumkonzept?

Jens Polkowski: Vor Ort haben die Besucher z.B. die Möglichkeit, über Touchscreens auf alle 3.000 Produkte zuzugreifen. Zudem können wir die Screens individuell bespielen. Ebenso lassen sich die Laufwege im Laden festhalten und markieren. Auf dieser Grundlage suchen wir nach Mustern und führen Kunden dann entsprechend ihrer Präferenzen in Echtzeit durch den Shop – immer mit dem Ziel, ihnen ein optimales Einkaufserlebnis zu bieten.

// Mit Jens Polkowski sprach Andrea Bothe.

Fotos: Miles & More GmbH

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