Ob Fußball, Hand- oder Basketball, Golf- oder Motorsport, Dressurreiten, Biathlon oder Synchronschwimmen – Menschen begeistern sich für die unterschiedlichsten Sportarten und finden dabei in vielen Schichten und Altersgruppen Gleichgesinnte, die ihre Leidenschaft teilen. Wer Sportfans in den Fokus seiner Marketingaktivitäten stellt, darf sich über eine breit gefächerte Zielgruppe freuen, die nicht nur sehr aktiv und gesellig, sondern zudem – von enthusiastisch über euphorisch bis hin zu exzessiv – überaus emotional und leidenschaftlich ist.


Auch wenn sich das Wort „Fan“ hinsichtlich seiner Herkunft vom englischen Begriff „fanatic“ ableitet, hat es mit dem im politischen Sinne negativ besetzten Begriff „Fanatiker“ eigentlich nichts zu tun, sondern bezeichnet vielmehr jemanden, der sich längerfristig und leidenschaftlich für eine Mannschaft, Person oder Sache begeistert und dafür einen beträchtlichen Teil seiner Zeit und nicht geringe Geldbeträge aufwendet. Im sportlichen Kontext findet sich der Begriff erstmals in der US-amerikanischen Tageszeitung Kansas Times and Star vom 26. März 1889. Der Reporter berichtete vom lokalen Baseball-Club und in diesem Zusammenhang auch von dessen Anhängern als „Kansas City baseball fans“. Nur wenige Jahre später ist der Begriff bereits ein geläufiger Ausdruck unter Sportreportern.

Warum ich?

Live-Erlebnisse sind emotionale Höhepunkte im Leben eines jeden Sportfans und stehen häufig als Schlüsselerlebnis am Beginn der Fangenese. Viele Fans werden bereits in jungen Jahren von Familie und Freunden „angefixt“, nicht selten aber kommt der Fan auch zu seinem Verein wie die Jungfrau zum Kinde. Die Soziologen Jochen Roose und Mike S. Schäfer haben im Rahmen ihrer Forschungen zum Thema Fans (Fans – Soziologische Perspektiven, 2010) herausgefunden, dass die meisten in einem „weitgehend unreflektierten Prozess“ zum Fan werden; „passivistisch und schicksalhaft“ schildern sie ihren Werdegang, so als sei ihnen das Fansein irgendwann „lediglich widerfahren“. Gleiches berichtet Arsenal-London-Fan Nick Hornby in seinem Fußball-Bestseller Fever Pitch: „Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden.“
Dass diese Liebe nicht immer glücklich sein kann, liegt auf der Hand, und nicht ohne Grund gaben die bei Roose und Schäfer befragten Fans nach „Leidenschaft“ die „Leidensfähigkeit“ noch vor „Treue“ als zweitwichtigsten Fanwert an. Unabhängig von Tabellenständen und Laufleistung auf dem Platz hält diese Liebe, wenn sie tief und ehrlich empfunden ist, meist ein Leben lang. Sie ist belastbar, in guten wie in schlechten Zeiten, wenn auch der Grat zwischen Hingabe und Selbstaufgabe oft nur ein schmaler ist …
Wie in jeder Liebesbeziehung spielen auch hier Emotionen eine herausragende Rolle, Roose und Schäfer zufolge die zentrale Rolle überhaupt, die der Fan zudem bewusst forciert: „Fantum als Strategie zur Intensivierung emotionalen Erlebens“. Das betrifft v.a. Menschen, die einen gesteigerten Bedarf an Emotionen haben, die also das Auf und Ab, Sieg und Niederlage, das Hoffen und Bangen brauchen wie die Luft zum Atmen. Die Liebe sucht den Nervenkitzel. Dabei liebt der eine eher schüchtern-zurückhaltend und verleiht seiner Leidenschaft über eine gravierte Krawattennadel dezenten Ausdruck, während der andere sein Herz auf der Zunge und den Fanschal auch im Alltag um den Hals trägt und sich darüber hinaus den Namen der Geliebten – Arminia, Hertha, Borussia und wie sie alle heißen – auf den Oberarm tätowieren lässt.

Von Kultfan bis Event-Otto

Zu denen, die ihre Liebe nach außen tragen wie die Haut zum Markte, gehören Typen wie St.-Pauli-Willi, Roter Dieter und Chelsea-Andy. Sie tröten, trommeln und touren durch die Lande, schwenken Fahnen und Schals, grölen Vereinshymnen und Schlachtgesänge, und ohne sie wäre die Fankurve nicht das, was sie ist: der zwölfte Mann. Das sind Fans, die mit unerschütterlicher Treue zu ihrem Verein halten, auch dann noch, wenn der in die dritte Liga abrutscht. Die ihre Mannschaft zum Sieg brüllen und gegnerische Spieler in den Wahnsinn treiben. Die sich leidenschaftlich und bedingungslos und meist ein Leben lang mit ihrem Klub identifizieren. Mit auffälligem Körperschmuck, Tattoos, ja sogar gebrandeten Schneidezähnen sprengt diese Sorte Fan das übliche Spektrum von Dekorationsstücken wie Schals und Fahnen.
Neben fußballverrückten Originalen, die es in jedem Fanclub gibt, stellen „ganz normale echte“ Fans den Großteil der Gemeinde. Dazu gehören Familienväter ebenso wie Frauen, Facharbeiter, Vorstandsvorsitzende, Jugendliche und Rentner. Sie alle eint die Liebe zu ihrem Verein, und sie alle fiebern auf das Highlight der Woche hin – den Spieltag. Sie organisieren die Fahrten zu Auswärtsspielen, schreiben Blogs, studieren mitunter sehr aufwendige Choreografien und Fangesänge ein, tummeln sich in Internetforen, schreiben Fanzines, glänzen mit Insider- und Faktenwissen, kurzum: Sie widmen einen Großteil ihrer Freizeit dem Verein, den sie frenetisch unterstützen und das auch nach außen sichtbar werden lassen: Caps, Schals, Trikots und Fahnen seien hier stellvertretend für eine riesige Auswahl an Fanartikeln bzw. Devotionalien genannt, die mit Leidenschaft gesammelt und am Spieltag als „Festtagskluft“ angelegt werden.
Von Kult- und „echtem“ Fan nicht gern gesehen sind die Event-Ottos. Das sind die „Stadion-Touristen“, die mit unqualifizierten Beiträgen auffallen, den Text der Vereinshymne nicht kennen, die VIP-Tribünen bevölkern und Tore sehen wollen, weil sie schließlich dafür bezahlt haben. Die kaufen sich ihren Schal erst kurz vorm Spiel und lassen ihn – im Falle einer Niederlage – kurz nach dem Spiel unauffällig wieder verschwinden. Verliert der favorisierte, meist der räumlich nächstgelegene, Verein mehrmals in Folge, kann man sich schon fast sicher sein, dass der Event-Otto nicht wiederkommt. Dass er aber teilhaben möchte an der Stimmung im Stadion, dass auch er Emotionen erleben will, die sonst im Alltag keinen Raum finden, dass auch er Halt im Kollektiv und das Erlebnis sucht – das kann man ihm eigentlich nicht übel nehmen, außer man ist „Kutte“ oder „Ultra“.

Ansteckende Euphorie

Spätestens seit der Fußball-WM 2006, dem Sommermärchen im eigenen Land, sind wir doch alle irgendwie Fan. Wer hat seither keine Fanschminke oder wenigstens ein Tattoo, einen Pappbecher oder eine Fahne in Deutschlandfarben im Schrank? Jetzt mal ehrlich! Wer erinnert sich nicht an bewegende Momente, als man völlig fremde Menschen im Freudentaumel umarmte, gleich welcher Herkunft. Das war schon was! Auch die Handball-WM ein Jahr später, die Fußball-WM in Südafrika 2010 oder die Frauen-Fußball-WM 2011 standen ganz im Zeichen ansteckender Euphorie und wurden von vielen von uns live verfolgt. Lassen wir uns ruhig als Event-Ottos beschimpfen, wenn wir nur alle Jubeljahre zur Höchstform finden. Schön war es doch, und schön wird es auch wieder in diesem Sommer, wenn wir bei Public Viewing die Geschehnisse bei der EM in Polen und der Ukraine oder sportliche Höchstleistungen bei der Olympiade in London verfolgen.
Eine echte Steilvorlage bieten sportliche Jahre wie dieses werbenden Unternehmen. Da fallen Weihnachten und Ostern quasi zusammen, denn wann sonst erreicht man seine Zielgruppe in einer emotional derart aufgeladenen Stimmung!? Wer sich im Stadion, beim Public Viewing oder auf der Fanmeile sehen lässt und Fanartikel an die Gemeinde verteilt, kann sich fast sicher sein, einen Volltreffer zu landen. Gegenständliche Werbeträger leisten hier überzeugende Arbeit und lassen sich dank einer riesigen Bandbreite und großer Flexibilität seitens der Hersteller auch auf dem Green, an Rennstrecke oder Parcours meisterlich einsetzen – große Gefühle inklusive.

// Julia Kuschmann

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