Melitta Wacken 02072019 2907 - „Wir glauben an das persönliche Erleben der Marke“

Frau Grebe, die Unternehmensgründerin Melitta Bentz revolutionierte vor mehr als hundert Jahren die Kaffeekultur. Inwieweit verpflichtet ein solches Erbe?

Ebba Grebe: Mit einer Blechdose und einem Löschblatt legte Melitta Bentz 1908 den Grundstein für die Kaffeefiltration. Später folgten weitere innovative Produkte, darunter der erste gemahlene und vakuumverpackte Kaffee. Dieses Erbe macht uns stolz. Gleichzeitig verpflichtet es uns, das Traditionsunternehmen in sinnvollen Schritten, nachhaltig und profitabel in die Zukunft zu führen.

Söhne und Enkel haben aus den Anfängen ein internationales Familienunternehmen mit rund 1,5 Mrd. Euro Umsatz gemacht. Während der Umsatz im Geschäftsjahr 2018 auf dem Vorjahresniveau gehalten werden konnte, erzielte der Geschäftsbereich Kaffee zum achten Mal in Folge einen Absatzrekord. Dennoch bewegt sich das Unternehmen in einem schwierigen Umfeld. Wo liegen die größten Herausforderungen?

Ebba Grebe: In Deutschland ist Kaffee nach wie vor das meistkonsumierte Getränk. Auch international, insbesondere in Asien, nimmt der Konsum zu. Aufgrund dieser Popularität bewegen sich viele große Player in dem Markt – und wir als Mittelständler müssen hier wettbewerbsfähig bleiben. Zudem sind durch die Kaffeekultivierung viele neue Mitspieler wie z.B. regionale Kleinröster hinzugekommen, die mit ihren Spezialitätenkaffees auch im LEH Einzug finden. Darauf müssen wir uns ebenfalls einstellen. Last but not least ist die Marke selbst das wichtigste Gut. Dabei lautet die zentrale Frage: Wie schaffen wir den Spagat zwischen klassischem Filterkaffeegeschäft, Crema-Kaffees und Spezialitäten-Segment – und zwar so, dass wir junge Zielgruppen für uns begeistern, ohne bei der Kernkäuferschaft an Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Mit ausgefallenen Kaffeekreationen und ausgeklügelten Zubereitungsarten ist das Heißgetränk zum Lifestyleprodukt avanciert. Mit welchen Produktentwicklungen reagiert Melitta darauf?

Ebba Grebe: Auch für unseren Markt gilt, dass Bedürfnisse individueller werden und sich Zielgruppen zunehmend fragmentieren. Darauf haben wir im vergangenen Jahr mit einer großen Neuproduktoffensive reagiert, darunter allein acht neue Kaffees im Bereich „Ganze Bohne“. Darüber hinaus ist die Renaissance des handgefilterten Kaffees für uns eine spannende Entwicklung. Inzwischen heißt es zwar Pour Over, meint aber im Prinzip dasselbe: den weiter perfektionierten, mit der Hand aufgegossenen Kaffee. Der Geschäftsbereich Kaffeezubereitung hat eine neue Produktrange zum Thema „Pour Over“ herausgebracht, mit der wir unserer Heritage treu bleiben und sie gleichzeitig mit neuem Leben füllen.

Melitta LP 07092019 0634 - „Wir glauben an das persönliche Erleben der Marke“Mit welchen (Marketing-)Maßnahmen zahlen Sie auf die zunehmende Kaffeekultivierung ein?

Ebba Grebe: Wir haben verschiedene Initiativen gestartet. Die aktuellste davon ist die Partnerschaft mit der Specialty Coffee Association Germany. Die SCA repräsentiert tausende Kaffeeprofis in über 100 Ländern weltweit. Melitta bringt in der Zusammenarbeit als starker, kompetenter Kaffee-Partner sein ganzes Know-how ein. Wir sehen, dass die gesamte Kaffeeszene – ob Kleinröster, Barista oder großer Röster – immer mehr zusammenwächst. Es geht allen ja um die spannende Vielfalt von Kaffee und Kaffeegenuss. Das ist für uns eine sehr schöne Entwicklung. Gemeinsam mit der SCA möchten wir daher die Szene zum Austausch einladen. So waren wir z.B. Anfang des Jahres in Bremen auf der Gastro Ivent und beim Hamburger Coffee Festival mit einer „Brewbar“ vor Ort und haben dort gemeinsam mit der Kaffeebranche Spezialitätenkaffees aufgebrüht und verkostet. Das kam extrem gut an und hat sehr viel Spaß gemacht. Schauen wir uns weiter um, sehen wir, dass sich die Welt einfach immer schneller verändert. Auch hier bringen wir uns aktiv und bedürfnisorientiert ein. Menschen werden mobiler, halten sich häufiger draußen auf, streben nach Live-Erlebnissen mit Marken und wollen natürlich auch unterwegs ihren Kaffee genießen. Hier geben wir mit unserem Eventund Festivalengagement entsprechende Antworten, befriedigen diese Bedürfnisse und positionieren uns vor Ort als Marke.

Melitta Bentz hat nicht nur den Kaffeegenuss revolutioniert, auch bei den Werbemaßnahmen zeigte sich die Gründerin erfinderisch und setzte bei der Präsentation und Vermarktung auf sogenannte Vorführdamen. Rund 80 Jahre später schrieb Egon Wellenbrink als Melitta-Mann Werbegeschichte. Was ist heute Stateof- the-Art?

Ebba Grebe: Wir entfernen uns immer weiter von der klassischen Kommunikation, dem Aussenden von Werbebotschaften. Was heute zählt, sind Empfehlungen, seien es die von Freunden oder Influencern. Social Media und PR werden zunehmend wichtiger. Wenn man zudem bedenkt, dass Amazon die zweitgrößte Suchmaschine der Welt ist, dann ist auch E-Commerce eine zentrale Kommunikationsplattform. Am wichtigsten sind jedoch Live-Erlebnisse: Wir glauben fest an das persönliche Erleben der Marke. Will man aus Kunden Fans machen, dann liegt hier das größte Potenzial. Wenn man Reichweite erzielen will, braucht man nach wie vor TV-Werbung. Um jedoch zukunftsfähig aufgestellt zu sein, muss man wesentlich differenzierter und individueller kommunizieren. Und das klappt in den bereits angesprochenen Kanälen besser als mit der Gießkanne.

In den vergangenen Jahren hat sich Melitta auch verstärkt im Fußball-Sponsoring engagiert, ist u.a. exklusiver Partner bei Manchester United. Eine Kooperation, die von dem Proficlub initiiert wurde und viel Beachtung gefunden hat …

Ebba Grebe: Hier sind unsere Kollegen aus dem Zentralbereich Sportpartnerschaften federführend. Allgemein kann man sagen, dass Fußballstadien generell einen hohen Bedarf an Kaffee haben. Manchester United hat mit Melitta einen Partner gefunden, der das gesamte Spektrum rund um qualitativ hochwertigen Kaffee zuverlässig bedienen kann – von der Bohne über die Geräte bis hin zum fertigen Kaffee. Das können weltweit nicht viele Unternehmen. Uns bringt die Partnerschaft viel Anerkennung und auch einiges an Aufmerksamkeit. Sie positioniert uns in einer Liga, in der wir vorher noch nicht gespielt haben. Auch für die Internationalisierung des Geschäfts, insbesondere im asiatischen Raum, ist die Partnerschaft ein nicht unerheblicher Treiber.

Melitta Wacken 02072019 0174 reverse - „Wir glauben an das persönliche Erleben der Marke“Außerdem ging Melitta im vergangenen Jahr zum dritten Mal auf Festivaltour und war auf vier sehr unterschiedlichen Musik-Festivals als Partner vor Ort. Nach welchen Kriterien wählen Sie solche Events aus?

Ebba Grebe: Unser Event-Engagement ist breit gefächert und reicht von den Online Marketing Rockstars über Hinterland of Things bis hin zu den About You Awards. Auch auf der Cebit waren wir. Musikfestivals sind für uns so interessant, weil sie das Thema Lebensfreude ganz besonders in den Mittelpunkt stellen. Zudem haben Veranstaltungen wie Rock am Ring, Lollapalooza Berlin oder Wacken eine große Strahlkraft und ziehen sehr viele Menschen an. Für uns steht dabei das gemeinschaftliche Erleben im Fokus: Wir möchten den Besuchern nichts aufoktroyieren, sondern begegnen ihnen nahbar und auf Augenhöhe. Dabei sind wir immer wieder überrascht, wie groß die Nachfrage nach Kaffee ist – sei es nun der Ruf nach unseren mobilen Coffee Runnern oder der Andrang an den Coffeebars und in unserem Festival-Wohnzimmer. So schaffen wir nicht nur Markenerlebnisse, sondern auch Markengenuss.

Mit welchen Aktionen zieht Melitta Generation Z und Millennials in ihren Bann?

Ebba Grebe: Unser Engagement besteht nie aus Einzelmaßnahmen. Wir denken Produkte, Kommunikation und Events immer zusammen. Z.B. hat die Jeans-Designerin und Influencerin Paula Kunkel im vergangenen Jahr für uns individuelle Festival-Kutten entworfen, die im Vorfeld der Veranstaltungen über PR-Maßnahmen und Social-Media-Kanäle verlost wurden. Vor Ort sind wir mit unserem großen Festival-Wohnzimmer, zwei Kaffeebars inklusive Baristi und Coffee Runnern präsent. Aktivitäten mit unseren Gästen sind enorm wichtig: an Kickertisch, Fotoautomat und Karaokemaschine ist gedacht. Auch Merchandisingartikel kommen zum Einsatz. Jedes einzelne Produkt wird mit viel Liebe zum Detail entwickelt, alles hat einen absoluten Mehrwert für die Besucher. Giveaways, die einfach nur rausgehauen werden, sucht man bei uns vergeblich.

Welche Produkte sind für den Einsatz prädestiniert? Inwieweit müssen sie den Bogen zur Marke schlagen?

Ebba Grebe: Wir beobachten Trends und überlegen uns dann, wie wir daraus etwas Spannendes für Melitta kreieren können. Z.B. setzen wir nachhaltige und vor Ort individualisierbare Coffee-to-go-Becher aus Kork ein. Auch unser Milchschaum-Drucker, der mit Lebensmittelfarbe personalisierte Bilder auf den Milchschaum des Cappuccinos bringt, ist jedes Mal ein Highlight. In Wacken konnten sich Musikfans die Audiofrequenz ihres Lieblingssongs auf ein Dog Tag lasern lassen, beim Lollapalooza Berlin lud eine DIY-Station die Besucher dazu ein, Gymbags zu gestalten. Zahlreiche Merchandisingartikel sind als Gewinne für Aktionen wie XXL Jenga, Tischkicker oder Karaoke gedacht, darunter z.B. Smartphone-Halter, Bauchtaschen, Badelatschen, unsere „Festivalletten mit Kaffeeblütenmuster“, „But first Coffee“-Socken oder Sunvisor Caps. All diese Artikel sind sehr begehrt und werden von den Besuchern des Festivals gerne getragen.

Kommt haptische Werbung auch abseits der Events zum Einsatz?

Ebba Grebe: Bei Promotions am POS sind Tassen in allen erdenklichen Variationen eine beliebte Zugabe. Aber auch Notizbücher und USB-Sticks in Sonderformen wie Kaffeebohnen für unsere Tagungen, Samples für Produktverkostungen oder Schreibunterlagen und Kalender für den Berufsalltag unserer Handelspartner werden regelmäßig eingesetzt. Außerdem haben wir die beliebte, klassische rote Melitta Tasse, die innerhalb unserer Partnerschaft mit The Voice of Germany und The Voice Senior des Öfteren in der Staffel zu sehen ist, in unseren Online-Shop aufgenommen.

Wie beurteilen Sie bei der Bandbreite der Einsätze das kommunikative Potenzial haptischer Werbeträger?

Ebba Grebe: Wir wollen Melitta nahbar und greifbar machen. Das ist eines unserer zentralen Ziele. Und wenn Menschen die Marke in Form haptischer Botschafter mit nach Hause nehmen, die Produkte nutzen und in ihr Leben integrieren, dann ist das für die Marke nicht nur das größte Kompliment, die größte Loyalitätsbekundung, sondern hat vermutlich auch den stärksten nachhaltigen Effekt. Die positive Erinnerung an das Event verbindet sich mit dem Produkt und der Marke und macht es so zum langjährigen und geliebten Souvenir.

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Welche Themen werden Melitta in Zukunft noch stärker beschäftigen? Wie gelingt der Balanceakt zwischen Tradition und Innovation?

Ebba Grebe: Da die Effekte von Live-Erlebnissen am größten sind, werden sie ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Kommunikation bleiben. Noch vor einigen Jahren hätten wir es nicht für möglich gehalten, dass die Marke für junge Menschen derart relevant wird. Wir haben sehr viel direktes, positives Feedback von den Besuchern auf den Musikfestivals bekommen. Die Verweildauer an den Melitta-Touchpoints war sehr hoch. Als beliebter Treffpunkt wurde sogar einmal der erste Festivaltag des Lollapalooza Berlin mit einer großen Party in unserem Wohnzimmer spontan und ungeplant beendet – von den Gästen selbst initiiert und von lautstarken „Melitta, Melitta“ Rufen begleitet. Für eine Traditionsmarke ist das schon bemerkenswert. Und dieser erfolgreiche Wandel hängt mit Sicherheit damit zusammen, dass wir bei allem, was wir tun, aus unserem Unternehmen heraus agieren und authentisch bleiben.

// Mit Ebba Grebe sprach Andrea Bothe.

Bildquelle: Melitta

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