Als Erzeugergenossenschaft für Schnittblumen, Topfpflanzen, Obst und Gemüse ist Landgard die zentrale Schnittstelle zwischen dem Handel und rund 3.000 Mitgliedsbetrieben. Michael Hermes, Bereichsleiter Marketing und Unternehmenskommunikation, über die steigende Nachfrage nach jungem Gemüse, Flower Power pur und flüssigen Gaumenfreuden für Gartenfreunde.

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Herr Hermes, wie hat sich die Corona-Pandemie auf Ihre Branche ausgewirkt?

Michael Hermes: Kontaktsperren, Homeoffice und Homeschooling haben dazu geführt, dass viele Menschen in den vergangenen Monaten sehr viel mehr Zeit zu Hause verbracht haben. Gleichzeitig waren die Konsummöglichkeiten in ausgabenstarken Bereichen deutlich eingeschränkt. Das alles hat dazu geführt, dass die Gestaltung von Wohnräumen, Gärten und Balkonen stärker in den Fokus gerückt ist. Pflanzen spielen dabei eine entscheidende Rolle, das sieht man nicht zuletzt auf den Social Media-Kanälen der Interior Designer und Plantfluencer. Diese Entwicklung macht sich auch bei den Absatzzahlen bemerkbar: Der Blumen- und Pflanzenmarkt lag während des letzten Jahrzehnts bei einem Marktvolumen von etwa 8,5 Mrd. Euro jährlich. In den letzten zwei Jahren wuchs der Markt jedoch so stark, dass im Jahr 2020 trotz Corona-Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen im Handel ein neues Rekordniveau von 9,4 Mrd. Euro erreicht wurde. Das sind im Vergleich zum Vorjahr rund 5% Zuwachs.

Gibt es einzelne Segmente, in denen die Nachfrage boomt?

Michael Hermes: Wir beobachten einen großen Run auf Zimmerpflanzen, Stauden und Gemüsejungpflanzen wie Tomaten, Zucchinis oder Salat. Gemüse aus eigenem Anbau ist ein absolutes Trendthema und eine Entwicklung, die wir sehr begrüßen: Denn wer selbst anpflanzt, weiß Produkte auch viel besser zu schätzen.

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Michael Hermes
Jahrgang 1983, hat eine Ausbildung im Garten- und Landschaftsbau absolviert. Nach einer Selbständigkeit und verschiedenen Stationen in einer Agenturgruppe studierte er an der Düsseldorfer Akademie für Marketing-Kommunikation. 2011 folgte der Wechsel zu Landgard, wo er zunächst als Creative Director arbeitet und seit 2016 als Bereichsleiter das Marketing, die Marktforschung und die Unternehmenskommunikation verantwortet.

Welche anderen Trends beschäftigen Ihre Branche?

Michael Hermes: Der Grüne Markt dockt an sehr viele Trendthemen an, die wir in unserer Innovationsrunde, in der u.a. Mitarbeiter aus dem Qualitätsmanagement, Vertrieb und Marketing vertreten sind, regelmäßig diskutieren. Zentrale Themen sind z.B. Nachhaltigkeit, Bio, Regionalität, Saisonalität, gesunde Ernährung und Convenience.

Wie übersetzen Sie solche Trends in Produkte?

Michael Hermes: Ein sehr spannendes Projekt, das sowohl nachhaltig als auch wirtschaftlich ist, sind unsere Verpackungslösungen aus Pflanzenfasern, die von abgeernteten Nutzpflanzen wie Tomaten gewonnen und für die Herstellung von Verpackungsschalen verwendet werden. Convenience-Produkte, die gegebenenfalls auch als Geschenk funktionieren, sind z.B. unsere bienen- und insektenfreundlichen Blühpflanzen, die wir unter dem Lizenzkonzept Biene Maja zusammengefasst haben und zu besonderen Anlässen wie dem Weltbienentag zusammen mit einem Bienenhotel anbieten. Ein weiteres Produkt in der Kategorie sind Kochboxen, die in Zusammenarbeit mit der Marke WW, früher Weight Watchers, entstanden sind. Hier sind komplette Gerichte unter Angabe der entsprechenden WW-Punkte in einer Box mit frischem Obst und Gemüse zusammengestellt und im LEH erhältlich.

Laut eigenen Angaben ist Landgard Deutschlands führende Vermarktungsorganisation im Gartenbau. Sie agieren dabei nicht nur B2B in Richtung Handel, sondern betreiben mit der Kampagne „1.000 gute Gründe“ auch generische Werbung – sowohl für Obst und Gemüse als auch für Blumen und Pflanzen. Welche Überlegungen sind damit verbunden?

Michael Hermes: Wir haben diese Aufgabe aus der Rolle des verantwortungsvollen Marktführers heraus übernommen. Als Erzeugergenossenschaft fühlen wir uns verpflichtet, unsere Mitgliedsbetriebe zu unterstützen und auch für die Branche insgesamt aktiv zu sein. Darüber hinaus stehen wir unter einem gewissen Druck: Mehr als 70% des Umsatzes im Bereich Blumen und Pflanzen wird mit der Generation 50+ erwirtschaftet. Berücksichtigt man darüber hinaus den demographischen Wandel, wird sehr schnell klar, dass uns unsere Stammzielgruppe langsam wegbricht und wir unsere Zielgruppe deshalb deutlich verjüngen müssen. Andernfalls drohen Umsatzrückgänge von bis zu 15%.

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Flower Power: In Parookaville sorgt Landgard bei den Besuchern für florale Festivalstimmung.

Wen adressieren Sie B2C?

Michael Hermes: Mit der Kampagne „1.000 gute Gründe“ adressieren wir vor allem junge Menschen ab 25 Jahren, junge Erst- und Gelegenheitskäufer. We love green stuff – diese Botschaft möchten wir an sie weitergeben und lassen uns dazu immer wieder neue kreative Kaufanlässe einfallen.

Landgard hat die Initiative am Valentinstag 2015 ins Leben gerufen. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie gute Gründe für den Kauf von Blumen und Pflanzen schaffen?

Michael Hermes: Um möglichst viele Verbraucher mit unserer Initiative zu erreichen, haben wir von Anfang an mit verschiedenen und zum Teil branchenfremden Kooperationspartnern zusammengearbeitet. Gemeinsam mit Bofrost und dem Verband deutscher Gartencenter haben wir z.B. eine Roadshow entwickelt, bei der die Teilnehmer Tischdekorationen gestalten und sich gleichzeitig verköstigen lassen konnten. Um Blumen und Torten ging es bei unserem Event mit Coppenrath & Wiese, zu dem wir Influencerinnen aus den Bereichen Food, Do it yourself, Home und Interior nach Hamburg eingeladen haben, um vor Ort gemeinsam die schönste Kaffeetafel Deutschlands einzudecken. Und erst im August dieses Jahres haben wir mit Volmary, Compo und Poétic zum Garten-Blogger-Treffen in Münster eingeladen – mit Pflanzenführungen, Workshops und einem Wettbewerb um die schwerste Tomate.

3 sophiagaleria - „We love green stuff“Vor der Corona-Pandemie waren Sie auch viele Jahren auf dem Musikfestival Parookaville mit Blumenkränzen und Workshops präsent …

Michael Hermes: Das Festival passt perfekt zu uns: Wir treffen dort auf die Zielgruppe der 25- bis 35-Jährigen und hatten das große Glück, dass unser Thema noch von keinem anderen Unternehmen besetzt war. An der eigens für das Festival entworfenen Flower Bar konnten die Besucher frische Haarkränze und anderen kreativen Blumenschmuck wie etwa Statement-Ketten, Armbänder oder Ohrringe kaufen oder selber gestalten. 2019 gingen so rund 3.000 Haarkränze über die Theke – und das zu marktgerechten Preisen. Dieser Punkt war uns extrem wichtig, weil wir keine Wegwerfartikel, sondern Wertschätzung transportieren wollten. Und das hat auch gut funktioniert: Viele Besucher haben die Kränze getrocknet und als Erinnerung an die Wand gehängt.

Landgard schlägt immer wieder den Bogen von aktuellen Themen oder Anlässen zu Blumen und Pflanzen. Welche Rolle spielen gegenständliche Werbeträger dabei?

Michael Hermes: Bei unseren Events sind sie regelmäßig mit von der Partie. Als Sponsor der 1Live Krone haben wir den Musikpreis z.B. mit Fotoaktionen vor einer großen Blütenwand und einer Goodie Bag mit Seedbombs gesponsert. Beim Deutschen Filmpreis 2019 in Berlin konnten wir zeigen, wie glamourös Nachhaltigkeit sein kann. Unter dem Motto „Deutscher Filmpreis goes green“ haben wir das Palais im Funkturm mit rund 2.000 Grün- und Blühpflanzen in ein Pflanzenmeer verwandelt. Ein besonderes Highlight war auch hier eine Blumenwand als zentraler Fotopunkt für die Stars des deutschen Films direkt am roten Teppich. Dazu hatten wir ein wiederverwendbares Gerüst mit tausenden Pflanzen bestückt, die nach guter gärtnerischer Praxis und mit dem Ziel des Verzichts auf chemischen Pflanzenschutz produziert wurden. Am Ende des Abends freute sich nicht nur der Berliner Zoo über die Pflanzen, auch die Stars bekamen nach der After Show Party von zwei „Blumenjungen“ ein in einer nachhaltigen Papiertasche verpacktes Pflänzchen mit Grußkarte überreicht.

In den letzten zwei Jahren sind viele Events aufgrund der Pandemie ausgefallen. Wie haben Sie während dieser Zeit Kontakt mit Ihrer Zielgruppe gehalten?

Michael Hermes: Unter dem Hashtag #staycation haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und kreative Konzepte vorgestellt, wie man sich den Urlaub nach Hause holen kann. Dazu wurden Produktwelten und Themenwochen entwickelt – von den Tropen über Bergwelten bis hin zum Mittelmeerraum –, die sowohl in den Cash & Carry-Märkten als auch auf Social Media ausgerollt wurden. Ein besonderes Highlight der Kampagne war unser Gewinnspiel: Für sechs Paare haben wir in kleinen Gewächshäusern auf der Landesgartenschau in Kamp-Lintfort ein vegetarisches Drei-Gänge-Menü zubereitet.

Gab es weitere Aktionen?

201910 Instagram Bier AZ7 - „We love green stuff“Michael Hermes: Wir haben immer wieder versucht, das Beste aus der Situation zu machen. In Zeiten von Social Distancing müssen wir uns natürlich an Abstandsregeln halten. Anstatt uns jedoch voneinander trennen zu lassen, wollten wir die Menschen dazu ermutigen, diesen Abstand mit Schönem zu füllen, indem man einander Blumen und Pflanzen schenkt. Unter dem Hashtag #FillTheDistanceWithBeauty haben wir zusammen mit dem Blumenbüro Holland und dem Kooperationspartner Fleurop gezeigt, warum Blumen die denkbar schönsten „Lückenfüller“ sind. Das Ganze wurde flankiert von einer großen OoH-Kampagne, Gewinnspielen und einer Guerilla-Aktion im Kino, bei der rund die Hälfte der Plätze mit Pflanzen wie Monstera, Musa, Scindapsus und Bromelien sowie mit Blumensträußen bestückt wurde, die die Besucher nach der Vorstellung selbstverständlich mitnehmen durften.

Nutzen Sie abseits von Seedbombs und Pflanzen weitere haptische Werbeträger?

Michael Hermes: Auf Veranstaltungen wie Landgard Insight, wo wir Bloggern Einblicke hinter die Kulissen des Blumengeschäfts gewähren, setzen wir z.B. Produkte wie Popsockets oder Ringlichter für das Handy ein. Weitere Botschafter sind T-Shirts mit floralen Motiven, die wir gemeinsam mit Influencern entwickelt haben, einpflanzbare Grußkarten aus Samenpapier und eine Gartenschaufel, die dank einer kleinen Einkerbung auch als Bieröffner genutzt werden kann. Zu den Klassikern zählen Pflanzensticker mit Grußbotschaften sowie Veggie Bags und Jutebeutel. Auf Veranstaltungen wie dem Garden & Home Blog Award, wo wir es mit einer ausgewählten Zielgruppe zu tun haben, kommen auch schon mal sehr hochwertige Notizbücher mit Prägung zum Einsatz.

„1.000 gute Gründe“ hat sogar sein eigenes Bier …

Michael Hermes: Erstmals haben wir das Gärtner-Bier auf einer internen Veranstaltung eingesetzt, um damit als Genossenschaft auf ein erfolgreich abgeschlossenes Jahr anzustoßen. Danach sind wir von Anfragen überrannt worden. Innerhalb kürzester Zeit haben wir die Marke angemeldet, gemeinsam mit der Brauerei die ersten 100.000 Gärtner-Biere produziert und sie unseren Cash & Carry-Märkten, Gartencentern, Floristen und dem LEH verfügbar gemacht. Das alles hat sehr gut funktioniert, so gut, dass wir parallel auch einen eigenen Garten-Wein und Garten-Sekt in die Tat umgesetzt haben.

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Wann macht haptische Werbung im Marketingmix für Landgard Sinn?

Michael Hermes: Immer dann, wenn man wie z.B. auf Messen oder Gartenfestivals mit Informationen überfrachtet wird und es nur einen ganz kurzen Kontaktpunkt gibt, sind haptische Werbeträger ideal, um sich damit später wieder in Erinnerung zu rufen. Für Goodie Bags spricht, dass man darüber seine Zielgruppe sehr gut selektiv adressieren kann. Und für alle Produkte gilt: Sie müssen hochwertig, nachhaltig und raffiniert sein. Außerdem müssen sie überraschen, sinnvoll sein und spätestens auf den zweiten Blick den Bogen zum Anlass oder Thema spannen.

// Mit Michael Hermes sprach Andrea Bothe

Bildquelle: Landgard

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