Vom Dieselross zur Weltmarke: Fendt gehört zu den führenden Herstellern von Landtechnik. Am Hauptsitz im Allgäuer Marktoberdorf entwickelt das Tochterunternehmen der AGCO Corporation nicht nur bahnbrechende Technologien für seine unverwechselbaren grünen Traktoren mit roten Felgen, sondern auch ein umfangreiches Merchandise-Sortiment. Michael Witzorrek, Brand Manager Merchandise, über kleine und große Kinder, hungrige Herzen, Feldstudien und Detailverliebtheit.

fendt slider - "Es muss irgendwo ein 'Fendt-Gen' geben"

Fendt ist nicht nur in Deutschland regelmäßig Marktführer, sondern zählt mit einem Exportanteil von über 60% auch international zu den großen Namen im Bereich der Landmaschinen. Wo positioniert sich die Marke, und wie würden Sie Ihre Zielgruppe beschreiben, auch in Abgrenzung zum Wettbewerb?

Michael Witzorrek: Wir positionieren uns grundsätzlich ganz oben, im Einklang mit unserem Slogan „It’s Fendt“. Im DLG-ImageBarometer, einer jährlich durch die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft unter Landwirten durchgeführten Umfrage, sind wir aktuell wieder einmal auf Platz 1. Die Zielgruppe liebt uns, wir lieben Landwirtschaft und Landwirte. Für sie arbeiten wir auf vielen Ebenen. Dabei hat Fendt sicherlich eine sehr hohe Markentreue. Abteilungsintern scherzen wir gern, dass es ein grünes „Fendt-Gen“ geben muss, das über Generationen vererbt und freigeschaltet wird, wenn Menschen zum ersten Mal auf einem unserer Fahrzeuge sitzen. Unsere Kunden wissen, wofür Fendt steht – und das ist Qualität, solide Verarbeitung und innovative Technik, gekoppelt mit Tradition und Bodenständigkeit. Wir haben 1930 mit dem „Dieselross“ begonnen, und über die Jahrzehnte folgten immer wieder bahnbrechende Technologien wie z.B. das Variogetriebe, mit dem wir das Schlepperfahren revolutioniert haben. Hinzu kommt der Kundenservice, den wir stetig verbessern. Nichts ist schlimmer als lange Ausfallzeiten, gerade in der heißen Phase der Aussaat oder Ernte.

Viele Ihrer Kunden sind erklärte Fans der Marke, und es gibt zahlreiche Fendt-Clubs und Sammler von Fendt-Oldtimern und -Devotionalien. Kann man diese Fankultur mit der Automobilbranche vergleichen?

Michael Witzorrek: Ja, ohne Zweifel, sie ist z.T. sogar noch ausgeprägter. Wobei ich immer sage: Wir haben keine Fans, wir haben Kunden und Markenbotschafter. Fans gibt es im Fußballbereich, sie halten Schals hoch und feuern den Stürmer an. Das ist bei uns nicht so. Gleichwohl gibt es einen enormen Identifizierungsgrad mit unserer Marke. Es gibt überall Treffen unserer Fendt-Freunde und unterschiedlichste Communities, hierzulande und international – schließlich ist Fendt ein Global Player.

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Michael Witzorrek
Jahrgang 1969, komplettiert seit Mai 2021 als Brand Manager Merchandise Fendt das Team beim Landmaschinenkonzern AGCO im bayerischen Marktoberdorf. Zuvor entwickelte der Branchenexperte u.a. den Bereich Merchandising für den Norddeutschen Rundfunk und gewann für den Sender zwei Mal den Promotional Gift Award. Seit 2015 gehört er der Jury des internationalen Preises für haptische Werbung an.

 

Das Unternehmen gehört seit 1997 zur AGCO Corporation, einem der weltweit größten Hersteller und Anbieter von Landtechnik. Trotzdem gibt es einen starken lokalen Fußabdruck: Das Brand Home und ein erheblicher Teil der Produktion sind im idyllischen Marktoberdorf im Allgäu ansässig. Spiegelt sich dieser Aspekt auch im Marketing wider?

Michael Witzorrek: Für das Merchandising ist dieser Aspekt natürlich wichtig. Wenn wir tolle Unternehmen aus der Region kennenlernen, versuchen wir gerne, mit ihnen gemeinsam etwas umzusetzen. So arbeiten wir z.B. mit dem Allgäuer Designunternehmen Höfats zusammen und haben eine eigene Bier-Range mit verschiedenen Sorten, die bei der Aktienbrauerei Kaufbeuren gebraut wird. Da gehen wir dann nicht zu einer austauschbaren Großbrauerei und lassen unser Logo auf deren Bier drucken, das fänden wir zu kurz gedacht. Unsere rund 600 Ingenieurinnen und Ingenieure sitzen ja schließlich auch in Marktoberdorf.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Ihrer Unternehmenspolitik und in Ihrem Marketing?

Michael Witzorrek: Seit vielen Jahrzehnten bewegt uns die Frage, wie Menschen weltweit ausreichend ernährt werden können. Seit einigen Jahren kommt der Aspekt der Nachhaltigkeit hinzu. Als Maschinenhersteller sieht Fendt seine Hauptaufgabe in einer CO2-reduzierten Produktion sowie in Produkten, die Landwirte unterstützen, umweltschonender zu arbeiten. Nachhaltigkeit ist deshalb für uns zentral, auch im Merchandising. Wo immer es möglich ist, versuchen wir den höchsten Standard zu erreichen und die gesetzlichen Anforderungen zu übertreffen, und zwar möglichst vom Produkt bis zur Verpackung. So werden wir Mitte des Jahres erstmals eine T-Shirt-Kollektion anbieten, die komplett Cradle to Cradle-zertifiziert ist.

Wo liegen für Sie die Stärken von Merchandise und haptischer Werbung im Vergleich zu anderen Marketingdisziplinen?

Michael Witzorrek: Während andere Marketingformen ausschließlich konsumiert werden, ist es im Merchandising ein Konsumieren mit der Bereitschaft, zu investieren (lacht). D.h., unsere Kunden investieren in ein Produkt, umnoch näher an der Marke zu sein. Schon allein deshalb hat die Zielgruppe natürlich eine ganz andere Bereitschaft, sich mit uns auseinanderzusetzen. Beim TV-Spot entscheidet der Konsument, ob er ihn gut oder schlecht fand und trifft dann eine Kaufentscheidung, bei uns fällt die Kaufentscheidung zuerst. Und wenn der Kunde unser Produkt hat, dann haben wir ihn, aber dann müssen wir ihn natürlich im zweiten Schritt glücklich machen. Deshalb ist es für uns immer wichtig, die Markenbindung zu intensivieren und sie auf ein neues, emotionales Level zu heben.

Sind denn Fendt-Kunden im Allgemeinen dankbare Abnehmer für Merchandise-Produkte?

Michael Witzorrek:  Ja, sie sind dankbar, aber genauso kritisch. Über Kundenservice, Social Media oder den Verkauf auf Fachmessen bekommen wir viel direktes Feedback, weshalb wir sehr sauber arbeiten müssen. Im Sammlermodell-Bereich z.B., wo wir in Zusammenarbeit mit Siku und Wiking Fahrzeuge im Maßstab 1:32 nachbauen, müssen wir richtig vorsichtig sein. Wenn da mal der Außenspiegel die falsche Farbe hätte, bekämen wir das sofort zu hören. Da hätte der Kunde dann auch recht und einen Anspruch auf ein originales Produkt. Deshalb ist der Hang zur Perfektion bei uns nicht nur in der Fertigung und im Engineering, sondern auch im Merchandise fest verhaftet.

fendt geschirr - "Es muss irgendwo ein 'Fendt-Gen' geben"  fendt traktoren - "Es muss irgendwo ein 'Fendt-Gen' geben"

Wie gehen Sie bei der Produktrecherche und -auswahl vor? Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, welche Artikel Sie in den Shop aufnehmen?

Michael Witzorrek:  Wir vertreiben über 400 Artikel für Kunden von 0 bis 99. Dieses Sortiment ist in Themenbereiche gegliedert und findet sich nur im Webshop in Gänze wieder, denn nicht alle Artikel passen in den 68-seitigen Katalog. Ein so mannigfaltiges Angebot gilt es stets dahingehend zu überprüfen, ob Produkte ihren Lebenszyklus überschritten haben. Auf der Suche nach neuen Ideen sind wir z.B. auf Messen unterwegs oder informieren uns über Magazine, aber wir entwickeln auch komplett eigene Produkte. Man muss gerade im Merchandising ein offenes Ohr, ein wachsames Auge und ein hungriges Herz haben, um immer mal wieder eine Kollektion mit Wow-Effekt hinzulegen.

Haben Sie ein Beispiel?

Michael Witzorrek: Hier in Marktoberdorf gibt es einen Fahrradhersteller, der sich die Fendt-Rechte im E-Bike-Bereich gesichert hat. Wenn BMW ein E-Bike verkauft, dann hat dieses meines Wissens einen Brose-Motor und keinen von BMW. Wir planen das E-Bike hingegen mit einem eigenen Fendt Motor für den E-Bike Bereich. Ein leistungsstarker Fendt-Motor und unser Fendt Nature Green als Farbe – das ist wirklich eine runde Sache. Das erste Modell, ein Citybike, planen wir in der zweiten Jahreshälfte auf den Markt zu bringen, und ich freue mich jetzt schon auf das Folgemodell, ein Lastenrad, dessen Haube unseren Schleppern nachempfunden ist. Auch dafür gibt es die ersten Designstudien. Solche Sachen sind die I-Tüpfelchen, damit sind wir Talk of Town.

Ein weiterer großer Bestandteil des Sortiments im Fendt-Shop ist Workwear. Welche Bedeutung hat die Arbeitskleidung für die Markenbildung und den Grad, wie sich die Fendt-Kunden mit der Marke identifizieren? Welche Ansprüche muss sie erfüllen, um dieser Bedeutung gerecht zu werden?

Michael Witzorrek: Workwear ist für uns eine tragende Säule im Merchandise-Mix. Denn unsere Landwirte, die unsere Geräte und Fahrzeuge kaufen, kaufen sich meist automatisch den Overall, die Jacke oder die Hose dazu. Diese Kleidungsstücke müssen selbstverständlich dem Arbeitsalltag und den harten Anforderungen in der Landwirtschaft gerecht werden – mit Schmutz, Nässe und auch mal ein bisschen Öl, das auf die Jacke gerät –, und sie müssen praktisch und funktional sein.

Einen weiteren großen Bestandteil bieten Produkte für Kinder und Babys. Wir wichtig ist der Nachwuchs als potenzielle Zielgruppe?

Michael Witzorrek: Wir stecken viel Herzblut in die frühkindliche Markenbindung. Wenn junge Eltern eine Affinität zu uns haben, entsteht ganz automatisch ein Touchpoint. Bei uns ist der Nachwuchs genauso komplett eingekleidet wie der Senior, der zwar nicht mehr selbst den Schlepper fährt, aber hoffentlich immer noch die Fendt-Kappe auf hat. Wobei wir einzelne Altersgruppen ein stückweit „verlieren“ – bei den Teenagern stehen wir in Konkurrenz zu den klassischen Markenartikeln. Jugendliche möchten halt mal ein Abercrombie & Fitch-Shirt tragen, und sei es nur, um sich von den Eltern abzugrenzen. Wir wissen aber auch, dass diese Zielgruppe wiederkommt, spätestens dann, wenn sie den elterlichen Hof übernimmt. Und wir versuchen gleichzeitig, trendige Produkte anzubieten, die man auch abends zur Barbecue-Party anziehen kann.

Wie begeistert man kleine Fendt-Freunde bzw. deren Eltern?

Michael Witzorrek: Einer unserer Topseller – und ganz aktuell, weil ja kürzlich Ali Mitgutsch, der Erfinder des Genres, verstorben ist – sind in diesem Jahr die Fendt-Wimmelbücher. Wir konnten mit Andreas von Frajer einen tollen Zeichner gewinnen, der nicht nur sehr viel Expertise und Liebe zum Detail, sondern auch eine tolle Sicht auf unsere Produkte durch Kinderaugen mitbringt. In seinen Comics erwachen unsere Schlepper und Erntemaschinen zum Leben, sie erhalten ein Paar Augen und interagieren mit einer lebendigen Bauernhofumgebung. Solche Merchandise-Ideen kann man nur realisieren, wenn man den Markt genau beobachtet. Stets nachgefragt sind auch unsere Tretfahrzeuge, die wir gemeinsam mit Bruder und Roll-On-Toys umsetzen. Das sind echte Hightech-Produkte mit drei Gängen und Rückwärtsgang, mit Luftbereifung und Anhängerkupplung sowie – je nach Budget – noch Add-Ons wie Anhängern, Milchkannen oder Schaufeln. Da kommt man wirklich ins Schmunzeln und fragt sich: Wie konnten wir nur unsere Kindheit ohne diese tollen Produkte überleben? (lacht).

fendt workwear - "Es muss irgendwo ein 'Fendt-Gen' geben"

Workwear – ein obligatorischer Bestandteil des Merchandise-Sortiments – muss den harten Anforderungen des Landwirtschafts-Alltags standhalten.

Schielen die internationalen Schwesterunternehmen manchmal zu Ihnen herüber und melden Interesse an Ihren Produkten an?

Michael Witzorrek: Ja, durchaus, wir erhalten immer wieder Anfragen aus der ganzen Welt, was uns natürlich freut und motiviert, Artikel zu entwickeln, die dann auch weltweit gern verwendet werden. Tatsächlich sind wir gerade dabei, Produkte an internationale Anforderungen anzupassen, z.B., was Zollbestimmungen oder Zertifizierungen angeht.

Gab es Einsatzbereiche und Touchpoints, die in den vergangenen Jahren pandemiebedingt weggebrochen sind?

Michael Witzorrek: Fendt Überhaupt nicht. Wir stehen z.B. in Kontakt mit Fußballclubs. Während es dort erhebliche Umsatzeinbußen gab, steigt bei uns die Kurve nach oben. Während die stationären Verkäufe durch die pandemiebedingten Lock-Down Phasen zwischenzeitlich gesunken sind, erfreut sich unser Webshop großer Beliebtheit.

Stationäre Verkäufe finden z.B. im Fendt Forum in Marktoberdorf statt, wo Besucher das Unternehmen und seine Geschichte mit allen Sinnen kennenlernen können. Wie wichtig ist diese Erlebniswelt für die Marke Fendt, für Kundenbindung und Storytelling?

Michael Witzorrek: Was Volkswagen mit der Autostadt in Wolfsburg umgesetzt hat, hat Fendt hier exemplarisch für die Landwirtschaft gebaut. Unser Besucherzentrum ist ein touristischer Hotspot, hier begeistern wir die großen und die kleinen Kinder jeden Tag wieder aufs Neue für unsere Technik, unsere Fahrzeuge und unsere Historie. Wer einmal auf einem großen Fendt Vario 1000 mit 517 PS und Doppelbereifung sitzt, bekommt schon ein bisschen Gänsehaut. Es gibt Werksbesichtigungen, zwei Kinosäle, ein Restaurant und einen tollen Spielplatz. Neben historischen Landmaschinen wie dem Oldtimer „Dieselross“, die einem die Entwicklung der Landwirtschaft vor Augen führen, stehen Hightech-Geräte, die mit Joysticks gesteuert werden. Am Ende führt dann für viele Besucher der Weg zwangsläufig in den über 100 qm großen Shop, der für uns ein elementarer Bestandteil des Fendt Forums ist – nicht zuletzt, weil wir dort persönlichen Kontakt zu unserer Zielgruppe haben. Das Verkaufspersonal bekommt einen unmittelbaren Überblick, welche Artikel die Besucher besonders gern mitnehmen. Auch unser Merchandise-Team kann direkt vom Schreibtisch aus dort vorbeigehen und den direkten Austausch suchen.

Um Austausch geht es auch beim Fendt Classic Club International, der Ende 2021 gegründet wurde.

Michael Witzorrek: Der Fendt Classic Club International soll alle Fan-Gruppen und alle, die sich für die Marke interessieren, zusammenführen. Der Verein wird jetzt zunehmend an Fahrt aufnehmen. Im Sommer wird er auf Events eine Rolle spielen, und in der zweiten Jahreshälfte werden wir die ersten Produkte lancieren. Es wird z.B. einen Wanderrucksack im Retro-Design geben sowie Nostalgieschilder aus Emaille, die unsere alte Werbesprache zum Leben erwecken. Eine Hauptaufgabe des Vereins besteht darin, sich um die umfangreiche Darstellung der über 90-jährigen Fendt-Geschichte zu kümmern. In diesem Zusammenhang ist in Zukunft auch ein Fendt Museum angedacht. Zum einen bauen wir in Marktoberdorf Hightech-Maschinen, mit deren Hilfe Menschen weltweit ausreichend ernährt werden sollen. Zum anderen haben wir einen Riesenfundus von Bildern, Dokumenten und tollen Bewegtbildaufnahmen aus mehreren Jahrzehnten, die es zu heben gilt. So hat Fendt z.B. schon vor 40 Jahren versucht, einen ferngesteuerten Traktor aufs Feld zu schicken. Heute weiß man, dass die Idee in Gänze richtig, aber die Zeit noch nicht reif war. In der Landtechnik wird sich in den kommenden Jahren vieles grundlegend verändern, und da möchten wir weiterhin vorne mit dabei sein.

// Mit Michael Witzorrek sprach Till Barth

Bildquelle: Fendt

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