Im Jahr 1893 entwickelte der Apotheker Dr. August Oetker ein geschmackneutrales Backpulver, dessen Tütchengröße genau auf ein Pfund Mehl abgestimmt war. Mehr als 130 Jahre später ist aus der kleinen Apotheke ein weltweit agierendes Familienunternehmen geworden, bei dem die Bedürfnisse der Konsument:innen nach wie vor im Fokus stehen. Senior Executive Manager für Consumer Relations Martin Stodolka sprach mit HAPTICA® über die Marketingstrategie des Herstellers und über die Rolle haptischer Botschafter.

2019 11 14 Bielefelder Treff Workshop Dr. Oetker Firmenarchiv 1310 - „Wir wollen ein Gefühl von Zuhause vermitteln“

Herr Stodolka, wer Dr. Oetker hört, denkt an Kuchen, Pizza und Pudding. Nicht gerade Lebensmittel, die man mit gesunder Ernährung in Verbindung bringt. Wie reagieren Sie auf sich verändernde Kundenbedürfnisse und Ernährungstrends?

Martin Stodolka: Wir sind in vielen Bereichen mit einer stetig wachsenden Zahl von Lebensmitteln vertreten. Ganz grob lassen sich unsere Artikel in die drei Kategorien Kuchen, Pizza und Dessert einteilen. Hinzu kommen Produkte aus den Bereichen Müsli sowie zum Verfeinern oder Einkochen. Wir behalten den Lebensmittelmarkt ständig im Auge und scannen die Bedürfnisse der Konsument:innen fortwährend. Pro Jahr entstehen so rund 130 neue Produkte weltweit. Entwicklungen wie kalorienbewusste oder vegane und vegetarische Ernährung begegnen wir mit neuen Produktkreationen, die bei vielen Konsument:innen großen Anklang finden. Wir haben z. B. mehrere vegane Alternativen für Pudding, Pizza oder Crème fraîche herausgebracht. Auch unsere neuen pflanzlichen Backmischungen oder High Protein-Produkte treffen den Nerv der Zeit. Dabei betrachten wir diese Neuentwicklungen nicht als Nischenprodukte, sondern als neue Marktsegmente, die sich dynamisch entwickeln und wachsen. Nichtsdestotrotz ist es aber auch heute so, dass ein Großteil der Konsument:innen nach wie vor einfach gerne mal einen klassischen Kuchen backt – das bleibt der Kern unserer Marke.

Martin Stodolka

dr oetker 1 - „Wir wollen ein Gefühl von Zuhause vermitteln“Martin Stodolka ist Senior Executive Manager für den Bereich Consumer Relations und bereits seit 32 Jahren bei Dr. Oetker beschäftigt. Er hat seitdem mehrere Abteilungen mit Schwerpunkt Kundenbindung durchlaufen. Zu seinem Aufgabenbereich gehören das Digitalmarketing, der Back-Club, der Verbraucherservice, die Versuchsküche, die Lizenzsteuerung und die Dr. Oetker Welt.

Damit hat ja vor über 130 Jahren schließlich alles angefangen …

Martin Stodolka: Genau. Das kleine Tütchen Backin-Backpulver vom Firmengründer Dr. August Oetker hat den Grundstein für unseren heutigen Erfolg und vor allem für unsere DNA gelegt. Der Gedanke dahinter war folgender: Dr. Oetker wollte in den 1890ern ein Backpulver entwickeln, das für eine exakt abgemessene Menge Mehl reicht. So sollten die Anwender:innen sich sicher sein können, dass der Kuchen gelingt und sie teure Zutaten wie Eier oder Butter nicht mitsamt des misslungenen Kuchens entsorgen mussten. Dieser Fokus auf Gelingsicherheit ist auch heute noch ein großer Teil unserer Unternehmensphilosophie. Dazu unterhalten wir bei uns am Standort in Bielefeld z.B. die Versuchsküche. Interessierte Besucher:innen können den Expert:innen dort durch eine Glasscheibe bei der Arbeit zusehen. Diese Versuchsküche, die in der Dr. Oetker Welt untergebracht ist, ist aber kein Labor, sondern hier werden alle neuen Produkte unter haushaltsüblichen Bedingungen getestet.

Das heißt?

Dr. Oetker Welt 97009 - „Wir wollen ein Gefühl von Zuhause vermitteln“

Das Puddingwunder in Bielefeld. Besucher:innen der Dr. Oetker Welt können sich an dem überdimensionalen Pudding in Form eines Gugelhupfs ihre eigene Tasse Pudding ziehen.

Martin Stodolka: Backen ist ja etwas anderes als Kochen. Da ist es schon entscheidend, ob die verwendeten Eier Größe M oder L haben. So etwas wird zum Beispiel getestet. Auch werden Rezepte mit Kuhmilch und Milchalternativen getestet und Kuchen in Backöfen unterschiedlicher Betriebsarten gebacken, um die Ergebnisse zu vergleichen und die Backanweisungen ggf. anzupassen. Alles unter der Maxime der Gelingsicherheit. Natürlich können die Expert:innen in der Versuchsküche nicht alle Eventualitäten einberechnen, aber wir wollen es den Konsument:innen so einfach wie möglich machen, unsere Produkte zu verarbeiten und ein gutes Ergebnis zu erzielen. So war es übrigens schon von Beginn an: August Oetker hat die Produkte entwickelt, seine Frau hat sie in der heimischen Küche ausprobiert. Das ist sozusagen Teil unserer DNA. Dabei ist für uns die Kommunikation, also die Rückmeldung von Verbraucher:innen-Seite, elementar.

Wie sieht denn Ihre Kommunikationsstrategie aus?

Martin Stodolka: Gemeinsam Kochen, Backen und Essen – das ist Liebe, das bringt Freude in jedes Zuhause. Dafür stehen wir seit über 130 Jahren, und das tragen wir auch über alle Kanäle nach außen. Viele Konsument:innen sind mit Dr. Oetker-Produkten aufgewachsen. Wie alt man auch werden mag – so ein Pudding oder Kuchen weckt positive Erinnerungen. Wir wollen ein Gefühl von Zuhause vermitteln. Unsere Produkte sollen Menschen zusammenbringen und schöne Momente wie z.B. Feiern, Geburtstage oder einfach nur einen entspannten Sonntagnachmittag noch schöner machen. Heute findet sich in rund 85 % der deutschen Haushalte mindestens ein Produkt von Dr. Oetker. So ist die Marke allein über die Produkte bei fast jedem Haushalt präsent.

Deshalb verstehen wir auch unsere Verpackungen als effektive Werbemittel, denn die wichtigsten Botschafter sind und bleiben unsere Produkte selbst. So werden diese dann auch gestaltet: Fotos, Rezepte, Designs – alles ist feinsäuberlich auf unsere CI und unseren Qualitätsanspruch abgestimmt. Darüber hinaus geht ein großer Media-Etat auch heute noch an die TV-Werbung. Doch Tools, die uns eine wechselseitige Kommunikation, also nicht nur die Rolle als Sender, sondern vor allem als Empfänger ermöglichen, haben seit jeher einen hohen Stellenwert und werden mit der Digitalisierung immer wichtiger. Unser Verbraucherservice-Nummer ist auf fast allen Produkten abgedruckt. So können Kund:innen direkt und kostenfrei mit uns in Verbindung treten. Außerdem sind wir auf allen gängigen Social Media-Plattformen vertreten – seit kurzem auch auf TikTok – und unterhalten seit über zehn Jahren erfolgreiche Influencer-Relations.

Ihr Social Media-Auftritt hat sogar zu einer Produktneuentwicklung geführt.

Martin Stodolka: Ja, allerdings! Über mehr als drei Jahre hat uns der Twitternutzer „Stullenandreas“ regelrecht damit genervt, dass wir eine Fischstäbchen-Pizza auf den Markt bringen sollten. Immer wieder haben wir abgelehnt und gesagt, das gäbe der Markt nicht her. Die Pizza war sogar Aufhänger für einen Aprilscherz, den wir auf unseren Kanälen und in Kooperation mit Influencern aufwändig inszeniert haben. Dieses „Gerangel“ zwischen Andreas und unserem Social Media-Manager ging regelmäßig auf diversen Plattformen viral. Irgendwann dachten wir: „Was soll’s, wir machen das jetzt!“ So entstand die limitierte Fischstäbchen-Pizza in Kooperation mit Iglo. Auch Iglo hat natürlich sofort das Kommunikationspotenzial erkannt, das eine solche Aktion mit sich bringt. So haben wir zwei Premiummarken zusammengebracht, um eine verrückte Sonderedition zu kreieren, die sich zunächst ein einzelner Twitternutzer und dann eine ganze Community gewünscht hat. Wir haben Andreas in diesem Rahmen natürlich zu uns eingeladen, damit er seine langersehnte Pizza persönlich in Empfang nehmen konnte.

Ihre Kommunikationsstrategie ist generell sehr kundenorientiert und persönlich. Wie stellen Sie das als Großkonzern an?

Dr. Oetker Back Club Online Seminar - „Wir wollen ein Gefühl von Zuhause vermitteln“

Zu Corona-Hochzeiten wurden die Seminare des Dr. Oetker Back-Clubs in den digitalen Raum verlagert. Vorteil: Nun konnten sich Nutzer:innen deutschlandweit live über Backtechniken und -rezepte informieren lassen.

Martin Stodolka: Neben Social Media ist unser Back-Club eines unserer wichtigsten Tools zur Kundenbindung. Den Club gibt es jetzt schon 33 Jahre, und aktuell zählen wir über 80.000 Mitglieder, wobei das Wort „Fans“ besser passt. Denn mit dem Back-Club haben wir eine Plattform, die eine große Community von Backbegeisterten unter einem Dach vereint. Die Mitglieder erhalten sechs Mal im Jahr das Gugelhupf- Magazin mit exklusiven Rezepten und profitieren u.a. von einer exklusiven Back-Hotline und Seminaren. Zu Corona-Hochzeiten haben wir diese Seminare in den digitalen Raum verlagert, um den Kontakt zu unseren Konsument:innen nicht zu verlieren. Das hatte sogar den Vorteil, dass wir auf diese Weise deutschlandweit mit Nutzer:innen in Kontakt treten konnten und nicht auf den Standort Bielefeld limitiert waren.

Immer, wenn ein neues Magazin erscheint, schellt es oft bei uns an der Hotline. Meistens ist es Lob, selten ist es Tadel. Oft sind es Fragen oder Rückmeldungen zu den Rezepten. Deshalb wissen wir auch sehr viel über Backfans – nicht nur, was sie wollen, sondern auch, was sie brauchen, um den Backprozess zu optimieren. Der Back-Club ist ein ganz tolles Instrument, um Konsument:innen besser kennenzulernen und sich intensiv auszutauschen. Der Begriff der Consumer Centricity gehört zur DNA unseres Unternehmens. Das gilt für Produkte, Rezepte und den Kontakt zu Anwender:innen. Mit Kundenbindungssystemen wie dem Back-Club gehören sie quasi dazu – zur Marke, zur Familie von Dr. Oetker.

Welche haptischen Botschafter außer den sechs Magazinen im Jahr für Mitglieder des Back-Clubs kommen noch zum Einsatz?

Martin Stodolka: Im Idealfall sollen die Empfänger:innen den Artikel mit einem unserer Produkte zusammen nutzen können. Deshalb kommen vor allem Back- und Kochutensilien als Werbeartikel zum Einsatz, also Dinge, die man in der Küche braucht. Von Messbechern über Teigrollen bis hin zu Backformen haben wir eine große Auswahl an gebrandeten Produkten, die im Dr. Oetker Online-Shop erhältlich sind oder für Gewinnspiele und Zugaben eingesetzt werden.

Ein Highlight sind die Vintage-Dosen, die sich großer Beliebtheit erfreuen und einen echten Exklusivitäts-Charakter haben. Die geprägten Blechdosen im Retrolook sind größtenteils mit alten Motiven aus unserem Archiv versehen und können leer oder befüllt gekauft werden. Sie sind optisch so schön gestaltet, dass man sie sich gerne offen ins Regal stellt. Für den Schrank wären sie viel zu schade. Unser Online-Shop bietet zudem viele weitere Liebhaber-Artikel, die beim Kochen und Backen zum Einsatz kommen können oder einfach die Liebe zum Backen und zu unserer Marke nach außen tragen. Dabei sind die Produkte nicht nur hochqualitativ und liebevoll designt, sondern einige auch mit einer ordentlichen Prise Humor gespickt.

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Sechs Mal im Jahr können sich die Mitglieder des Dr. Oetker Back-Clubs über das Gugelhupf-Magazin freuen.

Dr. Oetker Online Shop Jutetasche Donut Kopie - „Wir wollen ein Gefühl von Zuhause vermitteln“

Mit viel Liebe zum Detail und einer guten Prise Humor kreiert Dr. Oetker haptische Werbebotschafter mit Must have-Flair.

Was war der außergewöhnlichste Werbeartikel, den Dr. Oetker bisher eingesetzt hat?

Martin Stodolka: Ich glaube, das Spannendste war ein Motorroller mit Dr. Oetker-Branding, der bei einem Gewinnspiel verlost wurde. Den habe ich damals selbst bei der glücklichen Gewinnerin vorbeigebracht. In unserem Firmenarchiv haben wir eine ganze Ausstellung von alten Werbeprodukten der letzten Jahrzehnte. Da sind z. B. Kinderspielzeuge dabei, aber auch Aschenbecher und Feuerzeuge. Das war zu einer Zeit, in der an der Kaffeetafel noch ganz selbstverständlich geraucht wurde. Auch über 2.000 historische Puddingformen befinden sich im Firmenarchiv, von der klassischen Gugelhupf-Form bis hin zu solchen in Fischform. Bei letzterer handelt es sich um ein altes christliches Symbol. Als typisches Gericht in der Fastenzeit wurde gern Fisch gereicht, denn Fisch galt nicht als Fleischspeise. Auch Gebäcke oder Puddings wurden in Fischform verzehrt. Dazu ist zu sagen, dass man unter dem Begriff „Pudding“ lange Zeit auch allerlei Arten von Aufläufen verstand. Pudding galt noch bis in das 20. Jahrhundert in Deutschland teilweise als Hauptmahlzeit. Die Fischform als Puddingform beruht also auf diesem Brauch und wurde auch als haptischer Botschafter eingesetzt.

Heute fokussieren wir uns eher auf Küchenhelfer und -Accessoires. Besucher der Dr. Oetker Welt erhalten z.B. eine gebrandete Goodiebag, die gefüllt ist mit einer Vintage-Dose, einer Backmischung und einem Gugelhupf-Magazin. Auch bei Presse-Events oder Veranstaltungen für Influencer:innen kommen solche Giveaways zum Einsatz. Außerdem haben wir hier in Bielefeld einen überdimensionalen Pudding in Form eines Gugelhupfs, der als Pudding-Automat dient. Einfach eine Tasse drunterstellen, dann kommen Puddingpulver und heißes Wasser heraus, umrühren, fertig. Das Puddingwunder ist eine Ikone unserer Marke und definitiv ein Signature Item. Überhaupt steht die Dr. Oetker Welt vor allem dafür, unsere Marke mit allen Sinnen zu erleben. Deshalb gibt es für die Besucher:innen Giveaways, Pudding, Pizzaverköstigungen und die Möglichkeit, mit Mitarbeiter:innen in einen Dialog zu treten, anstatt einer unpersönlichen Audioführung.

Wo will Dr. Oetker in Zukunft hin?

1954 Rauchutensilien - „Wir wollen ein Gefühl von Zuhause vermitteln“

In den 1950er Jahren gehörten u.a. Feuerzeuge, Aschenbecher, Zigarrenabschneider und Co. zum Werberepertoire der Traditionsmarke.

Martin Stodolka: Wir haben in diesem Jahr eine neue und internationale Employer Branding-Kampagne ausgerollt. Mit dem Claim „Join the Taste“ bauen wir unsere Kommunikation als Arbeitgebermarke in über 30 Ländern weiter aus. In Strategie, Design und Tonalität aufeinander aufbauend, bilden die Brand Websites aller Landesgesellschaften mit der globalen Corporate Website das neue Gesicht der externen Kommunikation. All diese Maßnahmen folgen unserem Purpose „Creating a Taste of Home“. Dabei stehen vor allem die Menschen, sprich unsere Mitarbeiter:innen, im Fokus. Der Claim „Join the Taste“ wird von Mitarbeiter:innen-Geschichten begleitet, die einen authentischen Blick hinter die Kulissen unseres Unternehmens geben. Die Talente erzählen, welchen Einfluss sie auf die Geschehnisse bei Dr. Oetker haben und was sie tagtäglich bewegt.

Auch auf B2C-Ebene bilden die Menschen den Mittelpunkt unserer Marketingstrategie. Unsere Produkte bringen Freude. Sie laden zum Teilen ein und sorgen für wohlig-warme Gefühle. Jede:r soll sich bei uns zu Hause fühlen. Um diese Botschaft zu transportieren, setzen wir sowohl auf traditionelle als auch auf neue Kommunikationswege. Ein bunter Mix aus TV-Werbung, digitalen Angeboten und haptischen Werbebotschaftern ermöglicht uns, einerseits das traditionelle Flair unserer Marke zu erhalten und andererseits als modernes, zukunftsorientiertes Unternehmen zu agieren.

// Mit Martin Stodolka sprach Laura Müller.

Bildquelle: © Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG, © Dr. August Oetker Online-Shop

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