Asov Stahl BP H24 965x355 - Fünf Gramm Unbeugsamkeit

Idee:

Seit dem erbitterten Kampf um das zur Metinvest-Gruppe gehörende Werksgelände in Mariupol gilt der Werkstoff aus dem Azov-Stahlwerk als eine besonders stählerne Sorte Stahl: „Azov-Stahl“ ist nicht nur in der Ukraine eine Chiffre für den Willen, sich nicht brechen zu lassen.

Aus diesem Stahl mit ungewöhnlich hohem Symbolgehalt haben Yaroslava Gres, Hauptkoordinatorin der ukrainischen staatlichen Spendenplattform United24, und Natalia Emchenko, verantwortlich für Public Relations beim Metinvest-Mutterkonzern SCM, eine ebenso ungewöhnliche Fundraising-Kampagne geschmiedet: „Wir haben uns am Rande des Weltwirtschaftsforums im Mai 2022 in Davos getroffen und gemeinsam überlegt, wie wir das klassische Fundraising auf ein neues Level bringen können, denn die Ukraine braucht mehr Mittel. So kam uns die Idee, den letzten in Friedenszeiten in Mariupol produzierten Stahl zu Armbändern zu verarbeiten und mit ihrem Verkauf über United24 Spenden zu sammeln“, erklärt Gres.

Asov Stahl H24 300x - Fünf Gramm UnbeugsamkeitKonkret bedeutet das: Die auf diese Art eingesammelten Spenden sollen Drohnen für die ukrainischen Streitkräfte finanzieren. „Es geht bei diesem Projekt auch darum, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, was genau die ukrainische Armee braucht, um weiter standhalten und kämpfen zu können. Und zu diesen notwendigen Dingen gehören Drohnen“, fasst Gres zusammen. Die Kiewerin weiß, was sie tut: Sie ist Marketing-Profi und hat gemeinsam mit ihrem Bruder die auf kulturelle und soziale Projekte spezialisierte PR-Agentur Gres Todorchuk gegründet.

Umsetzung:

„Eigentlich sollte dieser letzte vor dem 24. Februar aus Mariupol exportierte Stahl kommerziell genutzt werden, aber Metinvest cancelte den Deal und hat das Material für das Projekt ‚Azov-Stahl. Ein Symbol der Unbezwingbarkeit‘ zur Verfügung gestellt“, erläutert Gres die Herkunft des Materials. Für Design und Herstellung der Armbänder zeichnete das ukrainische Schmucklabel Sova verantwortlich. Die Schmuckprofis nutzten spezielle Bohrer – Azov-Stahl ist auch ohne symbolische Beimischung ein ziemlich harter Werkstoff. Für die Kordel kam robustes Paracord-Material zum Einsatz. Je 5 g Stahl pro Armband wurden so bearbeitet, dass die etwas raue Originaltextur des Materials erhalten bleibt, Sova-Mitarbeiter knüpften die Armbänder dann in Handarbeit. Der ukrainische Versanddienstleister Nova Poshta schließlich lieferte die Armbänder auf eigene Kosten an die Käufer aus.

Wirkung:

Die ersten 10.000 Stück zu je 1.500 Hrywnja (rd. 41 Euro) waren nach gerade einmal neun Stunden ausverkauft, so Gres: „Und von diesen neun Stunden war die Seite sieben Stunden lang down, weil wir so hohe Zugriffszahlen hatten.“ Weitere 20.000 Stück gingen innerhalb von 48 Stunden weg. Die einzige Werbemaßnahme: eine Landingpage und zwei Facebook-Posts auf der Seite der Koordinatorin Gres.

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Yaroslava Gres von United24 (am Mikrofon) bei einer Veranstaltung im Rahmen der Kampagne. Bei den Buchstaben im Hintergrund – „Ich glaube an die Armee“ – handelt es sich ebenfalls um Azov-Stahl.

Anlässlich des Tages der Verteidiger der Ukraine – ein Feiertag, der seit 2015 den sowjetischen Tag der Verteidiger des Vaterlands ersetzt – gab es noch einmal 1.000 Armbänder zu gewinnen, diesmal mit der Inschrift „Ich glaube an die Armee“, 100 davon mit Unterschrift des ukrainischen Armeechefs Valerii Zaluzhnyi. Teilnehmen konnte weltweit jeder, der mindestens fünf Hrywnja spendete. Dieses Geld fließt in die Luftverteidigung: „In wenigen Tagen haben wir so 150 Mio. Hrywnja für ein Anti-Drohnen-System mit dem Codenamen ‚Shahedi Hunter‘ sammeln können“, berichtet Gres. Umgerechnet sind das immerhin ca. 4 Mio. Euro.

Die letzte Charge des letzten Friedensstahls aus Mariupol ging am 15. November 2022 in den Verkauf in der Ukraine, den Ländern Europas sowie in den USA und Kanada, insgesamt hat die Aktion laut United 24 über 286 Mio. Hrywnja eingebracht – umgerechnet 7,3 Mio. Euro.

https://u24.gov.ua

Bildquelle: United24 (2), Andrii Yushchak (1)

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