Ob mit Kampagnen zur Fußball-WM oder zur psychischen Gesundheit: Die zu Kellogg‘s gehörende Marke Pringles mischt souverän virtuelle und materielle Realitäten und bedient die ganze Klaviatur crossmedialen Marketings. Andreas Billker, Senior Market Activation Manager bei Pringles D-A-CH, übers Schnurrbartfacelift von Mr. P und das Poppen des Deckels, über Reputation Building in Form von Kartensets und Socken als Belohnung für Shopper und über die Bedeutung analoger und haptischer Elemente in einer digitalisierten Welt.

Pringles interview slider 965x355 - „Haptik bleibt ein wichtiger Wahrnehmungskanal“

Jedes Jahr im November dokumentieren Nutzer in den Sozialen Medien, wie sie sich einen Schnurrbart wachsen lassen – oder ankleben –, um auf Themen wie Prostata- und Hodenkrebs, aber auch auf psychische Probleme bei Männern aufmerksam zu machen. Mr. P, das Maskottchen von Pringles, hat einen sehr eindrücklichen Schnurrbart und eignet sich daher bestens als Symbol für die Unterstützung von „Movember“. Wie kommt Pringles eigentlich zu diesem Logo mit dem hohen Wiedererkennungswert?

Andreas Billker: Unser Mr. P hat seit dem Start der Marke Pringles einen Schnurrbart. Ich würde lapidar sagen: Er wurde schon so geboren. Natürlich wurde sein Design über die Jahre weiterentwickelt, um zeitgemäß zu bleiben. 2021 war er beim Friseur und hat ein Facelift bekommen. Das Ziel des überarbeiteten Designs war, mit Schlichtheit und klaren Zügen am Regal mehr Aufmerksamkeit zu erregen. In diesem Rahmen wurde der Bart von Mr. P sogar noch prägnanter. Optisch ist das natürlich ein Anknüpfungspunkt zu „Movember“. Aber es geht bei dieser Aktion v.a. darum zu zeigen, wofür wir als Unternehmen stehen. Unser Engagement für soziale Anliegen hat einen sehr hohen Stellenwert bei Kellogg‘s.

Pringles interview b - „Haptik bleibt ein wichtiger Wahrnehmungskanal“
Andreas Bilker
ist bei Kellogg’s Deutschland für das Marketing von „Pringles“ in der D-A-CH-Region zuständig. Einen Schwerpunkt legt er dabei auf die Bereiche Gaming und E-Sports. In der Vergangenheit besetzte er unterschiedliche Führungspositionen im Marketing, im Vertrieb und an strategischen Schnittstellen bei großen internationalen Unternehmen wie British American Tobacco, GSK und General Mills. Durch diese Tätigkeiten hat er einen großen Erfahrungsschatz innerhalb der FMCG-Branche aufgebaut.

Das neue Gesicht von Mr. P erinnert an Emojis. Kann das überarbeitete Logo nun besser im digitalen Kontext implementiert werden?

Andreas Billker: Lange Zeit wollten wir Mr. P einfach nur darstellen. Mit dem neuen Design können wir ihm nun auch Emotionen geben: mit Augenzwinkern oder Herzen in den Augen, er kann lachen oder auch traurig sein. Die Schlichtheit des neuen Logos gibt das jetzt her, ihn wie ein Emoji zu verwenden, ohne dass es zu überladen wirkt.

Mit „Movember“ und „AR you ready?“ haben Sie zwei crossmediale Kampagnen durchgeführt, die analoge Werbeartikel mit digitalen Plattformen verknüpfen. Wie positionieren Sie die Marke Pringles in solchen Kampagnen, und welche Zielgruppen möchten Sie damit ansprechen?

Andreas Billker: Bei „Movember“ ging es um Reputation-Building. Der Abverkauf unserer Produkte stand nicht im Vordergrund. Bei solchen Projekten haben wir immer das Ziel, unsere Popularität zu nutzen, um die Bekanntheit der Charity-Organisation zu erhöhen. Wir haben diese Kartensets in Form von Pringles-Packungen an Influencer geschickt, weil „Movember“ selbst ein digitales Tool hat, das sich Conversation-Starter nennt. Wenn man merkt, dass es einem Freund mental nicht gut geht, aber man nicht weiß, wie man das ansprechen soll, dann hilft dieses Tool, das von Psychologen entwickelt wurde, ein Gespräch in Gang zu bringen. Mit unseren analogen Conversation-Starter-Cards wollten wir darauf aufmerksam machen, wie wichtig es ist, Probleme anzusprechen. „Movember“ hat deswegen einen anderen Fokus als „AR you ready?“ oder andere Marketingmaßnahmen.

Was war denn der Fokus bei „AR you ready?“

Andreas Billker: Wir sind mit Pringles stark im Bereich Gaming und eSports verankert und wollten explizit die Zielgruppe der Gamer ansprechen. Also haben wir ihnen das gegeben, was sie am meisten wollen: ein Game. Mit der AR-Technologie haben wir dafür ein gutes Konzept entwickelt. Die Technologie selber sollte einen Impulskauf anreizen. Wir wollten aber einen weiteren Schritt gehen und haben über ein Gewinnspiel einen Mehrfachkaufanreiz gegeben. Je nach Pringles-Sorte hat man in dem AR-Game unterschiedliche Sammelfiguren freigespielt, und die konnte man dann als physische Objekte gewinnen. Außerdem war uns wichtig, dass wir den Menschen in Zeiten, in denen alles teurer wird, auch mehr bieten können. Mit dem AR-Game erweitern wir die Product Experience, die der Konsument hat. Vorher konnte man halt seine Chips genießen – was auch toll ist –, aber jetzt kriegt man on top noch ein Spiel for free. Das erhöht den Wert, und mit den 3D-Prints der Figuren haben wir das Ganze dann wieder in die reale Welt zurückgeholt.

Welcher Überlegung folgt dieses Zurückholen in die materielle Wirklichkeit?

Andreas Billker: Dahinter liegt eine Strategie: Wir blicken über unsere Zielgruppe der Gamer hinaus auf die „digital pop culture“ insgesamt. Einer der großen Trends in der „digital pop culture“ ist das Sammeln. Nehmen wir z.B. die Funko Pop!-Figuren: Da werden noch und nöcher Marvel Avengers- und Star Wars-Figuren mit großen Köpfen gesammelt. Die erste Kampagne, die wir ausgerollt haben, als es 2020 mit Corona losging, war daher eine Verlosung von Funko Pop!-Brettspielen über Instagram.

Alles wurde ins Digitale verlagert, doch die Menschen saßen zu Hause zusammen und haben wieder angefangen, klassische Brettspiele zu spielen. Deswegen haben wir mit Pringles darauf reagiert und diese popkulturellen Brettspiele verlost. Diesen Sammelmechanismus wollten wir mit den Figuren, die wir bei „AR you ready?“ als Gewinn angeboten haben, in Gang setzten. Wir hatten zeitweise überlegt, NFTs daraus zu machen, aber das relativ schnell verworfen. Uns war es wichtig, etwas Haptisches zu haben.

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Bei „AR you ready?“ konnten unterschiedliche Sammelfiguren freigespielt und gewonnen werden.

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Litfaßsäule zur „AR you ready?“-Kampagne.

Sammelfiguren und Maskottchen spielen sowohl bei „Movember“ als auch bei „AR you ready?“ eine Rolle. Eignen sich solche Figuren, die einen Charakter besitzen und den Kunden Identifikationspotenzial bieten, besonders gut, um als haptische Werbeartikel in solche Kampagnen eingebunden zu werden?

Andreas Billker: Man muss immer vom Konsumenten ausgehen und dem Fandom dahinter. Wir von Kellogg’s insgesamt sind Maskottchen-Fans, und unsere Maskottchen haben viele Fans. Tony the Tiger und wie sie alle heißen sind Ikonen, die wir seit der Kindheit kennen und die auch sehr beliebt sind. Wir machen mit ihnen erfolgreiche Lizenzgeschäfte mit der Fashion-Industrie. Letzten Sommer z.B. hat Puma zum Geburtstag von Frosties Flakes eine richtig coole Special Edition mit Tigerschuhen gemacht. Die Kollegen von Kellogg‘s haben auch eine Kooperation mit Ravensburger und eine Memory-Edition mit den Maskottchen herausgebracht. Sie arbeiten da an einem haptischen Spielerlebnis.

Aber es gibt einfach stärkere Lizenzen, bei denen das Fandom deutlich größer ist als bei einem Mr. P oder Tony the Tiger, etwa Marvel Avengers, Super Mario, Game of Thrones usw. Kooperationen mit diesen Marken würden zu einer richtig großen Nachfrage nach Sammelpuppen führen. Die Figuren, die wir für „AR you ready?“ geschaffen haben, wurden jedoch bewusst in einer geringeren Anzahl produziert, weil wir geahnt haben, dass die Nachfrage nicht riesig sein wird. Das muss man sich fairerweise eingestehen. So gut unsere Maskottchen auf Kleidung und als Logos auch funktionieren – nicht viele Leute sammeln Maskottchen aus der Food-Industrie.

Welche Erfahrungen haben Sie insgesamt mit crossmedialen Kampagnen in den letzten Jahren gesammelt?

Andreas Billker: Unsere globale Marketingstrategie zielt darauf, die Konsumenten zu involvieren, ihnen tolle Erlebnisse zu geben und dadurch die Bindung herzustellen, damit sie am Frühstückstisch unsere Produkte genießen bzw. abends dann am Couchtisch die Pringles.

Unser Credo ist Full-Funnel-Marketing: Wir betrachten den gesamten Marketing-Funnel von Awareness bis Loyalty. Darin gibt es für unterschiedliche Stages unterschiedlich gut geeignete Touchpoints. Nehmen wir zum Beispiel die „AR you ready?“-Kampagne: Erstmal muss ich darüber informieren, dass es etwas Neues gibt, muss Awareness schaffen. Das mache ich über Touchpoints wie Out-of-Home, Litfaßsäulen, je nach Kampagne auch über TV oder digitale Medien. Dann gibt es Kampagnen, und das betrifft sowohl „Movember“ als auch „AR you ready?“, bei denen muss der Zielgruppe erst einmal etwas erklärt werden. „AR you ready?“ war eine Weltinnovation. Da brauchten wir Multiplikatoren, die anderen gesagt haben, um was es geht. Auch bei „Movember“ musste man die Mechanik und den Nutzen des Tools als Starthilfe für Gespräche mit möglicherweise psychisch kranken Mitmenschen vorstellen. Dafür eignet sich der Touchpoint Social Media, und hier im Speziellen der Influencer. Bei erklärungsbedürftigen Themen ist das ein gutes Tool, um relativ einfach eine bestimmte Menge an Leuten zu erreichen. Beim Touchpoint Purchase geht es dann darum, den Kauf anzureizen. Wir hatten bei Kaufland zum Beispiel mit „Movember“ eine riesige Display-Aktion. Das war fantastisch, das hat Millionen von Menschen erreicht. Bei „AR you ready?“ war es dieser Collectible-Mechanismus mit dem Gewinnspiel, der dazu führen sollte, dass die Kunden wiederkaufen und mehr kaufen. Wenn man dann in einen Loyalty-Funnel kommt, ist das Produkt selber plötzlich der Touchpoint.

QR-Codes, RFID-Chips, AR und GPS bieten Möglichkeiten, digitale und analoge Welt zu verknüpfen. In welchen Technologien sehen Sie besonders viel Potenzial für crossmediales Marketing?

Andreas Billker: Der QR-Code hat in den letzten Jahren einen Riesensprung gemacht. Seit der Pandemie wissen die Leute, wie man damit umgeht, und dass man ihn scannen muss. Was dann passiert, müssen wir von unserer Seite ausgestalten. AR-Technologie hat bei unserer Kampagne gut funktioniert. Wir haben tolle Ergebnisse erzielt, die unsere Erwartungen übertroffen haben, aber ich glaube, dass sich die Technologie im Bereich User Experience noch entwickeln muss. Es gab einige Projekte mit RFID-Beacons an Paletten oder Displays im Bereich FMCG-Marketing. Da wurden dann Push-Nachrichten an Shopper, die im direkten Umfeld standen, gesendet. Das hat sich aber nicht durchgesetzt, weil viele User keine Freigabe für diese Push-Nachrichten gegeben haben.

Geo-Targeting mit GPS ist sehr spannend. Das machen wir meistens in Zusammenarbeit mit Händlern. Also z.B. durch eine Aktivierung wie: „Gehe zu diesem Rewe-Standort, da gibt es jetzt gerade Pringles im Angebot!“ Der Bereich Virtual Reality steckt noch komplett in den Kinderschuhen. Aber es scheinen sich hier viele Technologien zu einer Entwicklung zu verdichten, die in den nächsten Jahren stark voranschreiten wird, v.a. wenn man sich anschaut, was im Metaverse los ist.

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Werden sich die Erfahrungen der physischen Welt zunehmend im Virtuellen auflösen?

Andreas Billker: Die Auflösung der physischen Welt durch VR ist das eine Extrem, aber es gibt für mich einen Kompromiss, in dem die virtuelle Welt mit dem Real Life verbunden wird. Gerade mit AR-Technologie wie z.B. den Google Glasses kann man wertvolle, digitale Zusatzinformationen bekommen, aber der Anker, die Connection zum normalen Leben, ist noch da. AR-Technologie ist wirklich ein schönes Beispiel: AR-Kampagnen brauchen etwas Haptisches, damit sie funktionieren. Bei „AR you ready?“ war es unser Produkt, aber das kann genauso gut ein Werbeartikel sein. Der Werbeartikel ist dann sozusagen die Eintrittskarte für das digitale Erlebnis.

Ein Werbeartikel bietet oft auch einen Gebrauchswert für Konsumenten. Sein praktischer Nutzen lässt sich nicht einfach virtuell ersetzen. Wo setzt Pringles auf haptische Werbung?

Andreas Billker: Wir haben natürlich unsere Standardwerbeartikel wie Kugelschreiber, Mützen, Taschen. Die werden über unseren Außendienst in den Handel gebracht, auf Events ausgegeben oder bei Gewinnspielen verlost. Der haptische Werbeartikel kann auch beim Kaufakt eine wichtige Rolle spielen. Wir haben z.B. im letzten Jahr Socken bei einem Mehrkauf als Incentive dazugegeben, im Jahr davor waren es Mützen. Das Schöne daran ist, dass der Shopper in dem Moment eine Belohnung erhält, die unmittelbar, greifbar und sicher ist. Das sind ganz wichtige Kriterien, wie man jemanden zu einem Kauf anregen kann. Diese drei Kriterien treffen haptische Werbeträger sehr gut. Man muss nur schauen, dass der Werbeartikel Sinn macht und zum Produkt passt, aber ich glaube, da bietet die Werbeartikelindustrie genug Auswahl.

Also wird die virtuelle Welt die haptische Erfahrung nicht ersetzen…

Andreas Billker: Es wird viel in die virtuelle Richtung gehen und zu spannenden User Experiences führen. Aber die Haptik ist ein zu wichtiger Wahrnehmungskanal, als dass man ihn ignorieren könnte. Etwas Physisches in der Hand zu halten löst ein anderes Glücksgefühl aus. Das ist uns sehr bewusst, und deswegen legen wir z.B. viel Wert auf die Qualität unserer Dosen. Das Entdecken, das Poppen des Deckels – das sind Effekte, die zu unserem Markenbild gehören. Das physische Objekt wird immer wichtig bleiben, und daher wird es auch immer Werbe- und Marketingmaßnahmen in diese Richtung geben.

// Mit Andreas Bilker sprach Dr. Andreas J. Haller

Bildquelle: Pringles

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