Einsatzmöglichkeiten für Print in der Markenkommunikation gibt es viele – von klassischer Plakatwerbung und Zeitungsanzeigen über Direct Mailings, Flyer und Kataloge bis hin zu POS-Aufstellern und Verpackungen. Print ist für sämtliche Marketingdisziplinen relevant und wird es nach Ansicht von Rüdiger Maaß, Geschäftsführer vom Fachverband Medienproduktion e.V. (f:mp.), auch in Zukunft bleiben. Denn: Konzeptionell inszeniert, hat Print – v.a. in Kombination mit digitalen Medien – eine hohe Wirkkraft. Das bestätigt auch die Metaanalyse The Power of Print, an der der f:mp. mitgewirkt hat.

maass slider - „Wer auf Print verzichtet, verliert einen Marken-Touchpoint“

Der f:mp. ist ein Fachverband für Medienproduktioner:innen. Wie definiert sich dieses Berufsbild, und mit welchen Aufgabenfeldern beschäftigt sich der Verband?

Rüdiger Maaß: Ja, grundsätzlich stimmt das – aber mittlerweile sind wir ein Branchenverband, der seine Reichweite über dieses Berufsfeld hinaus noch deutlich vergrößert hat. Medienproduktioner:innen sind in sämtlichen Bereichen ansässig, in denen Kommunikation organisiert wird – in Verlagen und Werbeagenturen, in Druckereien und bei Mediendienstleistern, aber auch in den Marketingabteilungen werbetreibender Unternehmen. Sie sind diejenigen, die den grafischen Output einer Designerin oder eines Designers in eine realistische Produktion umsetzen – egal, ob Print oder online. Dazu gehört die technische Beratung, der Einkauf aller zugehörigen Dienstleistungen, die Abstimmung mit den prozessbeteiligten Dienstleistern und das Qualitätsmanagement. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Informations- und Beratungsauftrag zu: Die technisch versierten Medienproduktioner:innen sollten in der Lage sein, kreativ tätigen Personen die vielfältigen Möglichkeiten, die eine Druckerei zu bieten hat, aufzuzeigen. Wenn das Designteam sagt, es hätte in der Anzeige lieber einen freundlicheren Himmel, dann müssen Medienproduktioner:innen das in technische Parameter und damit konkrete Handlungsanweisungen für die Druckerei übersetzen – sie nehmen quasi eine Dolmetscherfunktion ein.

In der Vergangenheit hat die grafische Industrie in regelmäßigen Abständen eine 180 Grad-Wendung vollzogen – ob DTP-Revolution, die Einführung der digitalen Vorstufe oder die Entwicklung der digitalen Medien. Früher waren Medienproduktioner:innen nur für das Thema Print zuständig, heute zählen auch Social Media-Kanäle, Apps und sonstige digitale Medienkanäle dazu. Wir haben uns als Verband entsprechend weiterentwickelt und nach dem Baukastenprinzip für besondere Bereiche eigene Brancheninitiativen gegründet – darunter die Initiativen Media Mundo mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit, die PrintCity-Allianz mit Fokus auf Packaging oder die Creatura, die sich mit multisensorischem Marketing und gedruckter Kommunikation beschäftigt und es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Wirkungsweise multisensorischer Printkommunikation zu vermitteln.

Computer, Laptop, Tablet, E-Reader, Smartphone – wir sind es mittlerweile gewohnt, Informationen über Bildschirme aufzunehmen. Macht es einen Unterschied, ob wir Texte analog oder digital erfassen?

Rüdiger Maaß: Die Verständlichkeit und auch die Tiefe der Aufnahme von Informationen ist abhängig von dem Medium, über das sie vermittelt werden. Dabei muss man zwei Ebenen unterscheiden: Verstehen und Begreifen. Wenn ein für die jeweilige Zielgruppe geeigneter Text einmal auf einem Tablet und einmal auf Papier zur Verfügung gestellt wird, dann wird der Text zwar immer verstanden, aber ob der Inhalt wirklich begriffen wurde und wie schnell und wie langanhaltend, da gibt es Unterschiede.

Wenn man etwas begreifen möchte, dann hilft es, wenn man es tatsächlich „begreift“, also in die Hand nimmt. Wenn ich einen Text in einem Buch lese, verinnerliche ich das Geschriebene viel intensiver als wenn ich dieselben Informationen digital aufnehme. Außerdem wird bei gedruckten Informationen durch das taktile Feedback eher das Langzeitgedächtnis aktiviert. Das Virtuelle birgt viel Ablenkung – ich wische mal eben hier, klicke dort etc.

Es gibt mehrere Studien darüber, dass z.B. Kinder besser und nachhaltiger lernen, wenn der Lernprozess mit haptischen Elementen verknüpft ist. Der Weg der Information führt dann nicht nur über die Augen, sondern auch über die Hände. Beispielsweise haben norwegische Forschende Schüler:innen identische Texte im PDF-Format auf dem Computerbildschirm und gedruckt auf Papier zu lesen gegeben. Anschließend mussten sie Verständnis- und Erinnerungsfragen beantworten. Die Schüler:innen am Bildschirm schnitten dabei signifikant schlechter ab.

Rüdiger Maaß

ruedigermaass - „Wer auf Print verzichtet, verliert einen Marken-Touchpoint“Der gelernte Werbekaufmann absolvierte bereits während seiner Ausbildung eine Weiterbildung zum Geprüften Medienproduktioner – damals die erste im Markt verfügbare berufsbegleitende Fortbildung in diesem Bereich. Seit 1998 ist er Geschäftsführer des Fachverbands Medienproduktion e.V. (f:mp.). In Personalunion war er zunächst auch als Chefredakteur der Druckfachzeitschrift Print&Produktion und von 2004 bis 2007 als Herausgeber und Chefredakteur des Medienproduktionsmagazins Value tätig.

Welche Rolle spielt Print im Marketingmix einer immer digitaler werdenden Welt?

Rüdiger Maaß: Je mehr Kanäle eine Kampagne bespielt, desto mehr Wirkung entfaltet sie. Werbetreibende, die auf Print verzichten, verlieren einen Marken-Touchpoint und damit ein physisches Werbemittel, das sich vielfältig inszenieren lässt. Außerdem verzichten sie auf ein Werbemedium, das eine hohe Glaubwürdigkeit genießt. Untersuchungen zeigen, dass Menschen Printwerbung mehr vertrauen als Online-Werbung. Die Verunsicherung im digitalen Bereich – befeuert durch Fake News und KI-generierte Informationen – ist immens und wird weiter zunehmen. Natürlich kann ich mit KI-Chatbots wie ChatGPT auch Texte für den Printbereich generieren, aber in der allgemeinen Wahrnehmung sind Printmedien wesentlich glaubwürdiger als Online-Medien.

Darüber hinaus ist Print selbsterklärend. Jedes Kind weiß, wie man ein Buch umblättert und die meisten, was ein Inhaltsverzeichnis ist, wohingegen nicht jede digitale Anwendung sofort verständlich ist, v.a. nicht für ältere Zielgruppen.

In der digitalen Kommunikation werden Informationen überwiegend auf Basis von Profilanalysen zur Verfügung gestellt. Man bekommt also immer die Inhalte angezeigt, die bereits im eigenen Interessenbereich liegen. Die zufällige Konfrontation mit neuen Inhalten, die trotzdem für mich relevant und wertvoll sein können, geht dabei verloren. Print kann dagegen, als Push-Medium eingesetzt, neue Kund:innen generieren.

Print kann auch als Medienbrücke oder sogar Kommunikationshub fungieren, z.B. wenn ich über einen aufgedruckten QR-Code ins Netz gelange oder mit speziellen Key Visuals Augmented Reality-Anwendungen steuere. Print ist im Multi-Channel-Marketing nicht wegzudiskutieren. Die Überlegung sollte immer sein: Was kann Print in meiner Kommunikation mit der Zielgruppe leisten, und was können digitale Tools leisten?

Eine Studie des Marktforschungsunternehmen IMAS International aus dem Jahr 2018 hat ergeben, dass sich Menschen von Printwerbung deutlich weniger genervt fühlen als von Werbung im Fernsehen, Radio oder Internet. Woran liegt das?

Rüdiger Maaß: Werbung im Fernsehen und im Internet unterbricht meist andere Tätigkeiten, z.B. wenn ich mir einen Film anschaue, und plötzlich kommt ein Werbeblock. Werbeprospekte, Mailings und Co. nimmt man hingegen freiwillig in die Hand. Die Kunst liegt darin, das Medium so zu gestalten, dass es die Zielgruppe erreicht und Aufmerksamkeit sowie Interesse erregt.

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Reduziertes Design, ruhige Farbwelten und spezielle Pop-up-Elemente, die zur näheren Beschäftigung mit dem Buch einladen, machen die streng limitierte Maybach-Dokumentation zu etwas ganz Besonderem.

Trotzdem hat sich erst kürzlich der Einzelhandelskonzern Rewe mit Verweis auf Umweltaspekte dazu entschlossen, die Produktion seiner wöchentlichen Werbeprospekte aus Papier einzustellen. Auch bei anderen Unternehmen ist es Teil der Nachhaltigkeitsstrategie, Kataloge, Flyer etc. zu reduzieren. Ist das zu kurz gedacht?

Rüdiger Maaß: Man muss sich hier als erstes fragen: Wie kommt es zu so einer Entscheidung? Die grafische Industrie hat es von meiner Warte aus in den letzten fünfzehn Jahren nicht geschafft, die Nachhaltigkeits-Assets, die Print mitbringt, so gegenüber werbetreibenden Unternehmen zu kommunizieren, dass diese sich für Print entscheiden. Print ist deutlich nachhaltiger als viele Kommunikationstreibende denken. Beispielsweise ist Papier aufgrund seiner Recyclingfähigkeiten – Papierfasern lassen sich bis zu sieben Mal erneut aufbereiten – ein mehr als ressourcenschonendes Medium. Es gibt Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft, und das bei der Produktion verwendete Wasser wird im Anschluss wieder aufbereitet und zu ca. 93% in den Kreislauf zurückgeführt.

Aussagen, dass durch den Verzicht auf Werbeprospekte bestimmte Mengen an CO2 eingespart werden, halte ich für Greenwashing, da man durchaus unterstellen kann, dass die eingesparten Kosten eins zu eins in die digitale Kommunikation fließen, die ebenfalls Auswirkungen auf die Umwelt hat.

Der Verzicht auf Werbeprospekte bei Rewe zeigt zudem, dass der Konzern alle seine Kund:innen über einen Kamm schert. Der bessere Weg wäre doch, seine Kommunikationsstrukturen so umzustellen, dass genau diejenigen, die das Printprodukt haben möchten, es auch weiterhin bekommen, ggf. sogar mit individueller Ansprache. Nehmen wir das Beispiel Otto: Das Unternehmen hat sich zwar von seinem großen Otto-Katalog verabschiedet, bringt aber viele kleine Kataloge, Flyer etc. heraus, die sie viel spezifischer einsetzen. Damit kommunizieren sie sehr viel intelligenter.

Mit The Power of Print hat die Creatura-Initiative, deren Organisator der f:mp. ist, vor ein paar Jahren eine Metaanalyse zur Werbewirkung von Print herausgebracht. Welche zentralen Schlüsse konnten gezogen werden?

Rüdiger Maaß: Das Ziel dieses Projekts war es, die Wirkungsweise von Print verstehbar zu machen, aufzuzeigen, dass man mit Print alle Sinne bedienen kann und dies mit Zahlen, Fakten und Beispielen zu unterfüttern. Wir haben im Grunde für Werbetreibende Kommunikationsinvestitionen berechenbar gemacht. Die Analyse zeigt, dass Print auf allen Sinnesebenen wirkt. Wenn ich ein Printprodukt in die Hand nehme, erhalte ich nicht nur durch das geschriebene Wort Informationen, es werden auch jede Menge implizite Informationen übermittelt, z.B. über die Farbgebung – Weiß wird mit Leichtigkeit assoziiert, Schwarz u.a. mit Macht. Die Papieroberfläche kann glatt oder rau sein, was z.B. mit Robustheit assoziiert wird, die Optik matt oder glänzend etc.

All diese Dinge wirken sich auf die Aufmerksamkeit aus, Kund:innen erinnern sich genauer und sind auch bereit, mehr Geld auszugeben. Zwei Beispiele: Für eine Erhebung des Unternehmens Sappi, ein Hersteller von Spezialpapieren und Kartons, betrachteten die Proband:innen identische Informationen zu fiktiven Marken entweder in einer Broschüre aus hochwertigem und mit Lack veredeltem Papier, in einer Broschüre aus weniger wertigem und unlackiertem Papier oder auf einer Website. Drei Wochen später erinnerten sich in der Gruppe, die die hochwertige Broschüre genutzt hatte, dreimal so viele Teilnehmende an die Inhalte als bei der Vergleichsgruppe mit der weniger wertigen Broschüre und der Website. Die Effekte von Print lassen sich durch Papierbeschaffenheit und Veredelung also noch steigern. Versuchsteilnehmer:innen einer anderen Studie schmeckte das per Strohhalm getrunkene Wasser – wenn sie den Becher beim Trinken berührten – aus einem stabilen Plastikbecher nicht nur besser als das gleiche Wasser aus einem dünnwandigen Plastikbecher, sie würden auch mehr dafür bezahlen.

Wie sieht also gelungene Printkommunikation aus?

Rüdiger Maaß: Ein Beispiel einer gelungenen Marketingaktion kommt aus dem Gaming-Bereich. Jetzt könnte man denken, online-affine Gamer:innen haben mit Print nichts zu tun, aber auch die lassen sich begeistern, wenn man auf ihre speziellen Anforderungen eingeht. Ein Hersteller von Energy-Pulvern zum Auflösen in Wasser hat sich überlegt, dass Gamer:innen meist in relativ dunklen Räumen zocken und daher seine Verpackung und seine Shaker mit fluoreszierender Farbe bedrucken lassen, die im Dunkeln leuchtet. So sind die Botschaften und Produkte auch in abgedunkelten Räumen stets sicht- und greifbar. Das ist genial!

Mein persönliches Print-Highlight-Produkt, das ich auch selbst besitze, ist eine Maybach-Dokumentation, die u.a. an einen kleinen Kreis an Pressevertreter:innen ging. In der limitierten Ausgabe ist kein einziges Auto abgebildet. Alles ist äußerst reduziert und in Weiß gestaltet; beim Umschlagen der Seiten erheben sich dreidimensionale Elemente wie z.B. ein Golfball und eine Golffahne oder Elemente aus der Skyline von Dubai. Die Pop-up-Elemente weisen nicht nur auf verschiedene Orte hin, sondern erschaffen ganz bestimmte Lebenswelten, die zur Marke passen. Es wird zur Interaktion angeregt – das begeistert und weckt Begehrlichkeiten, und zwar noch bevor ich einen einzigen Satz gelesen habe.

Wie müssen werbende Unternehmen vorgehen, die ähnlich gute Umsetzungen entwickeln möchten?

Rüdiger Maaß: Wichtig ist der konzeptionelle Ansatz. Man muss sich als Erstes fragen: Was will ich bewerben, und wen will ich ansprechen? Der Autohersteller BMW hat z.B. bei der Einführung eines neuen Modells, das v.a. die junge, sportliche Zielgruppe ansprechen sollte, zunächst auf Prospekte verzichtet. Da die Nachfrage nach Broschüren aber groß war, haben Landesniederlassungen angefangen, selbst designte Printmedien herauszugeben – marketingtechnisch ein Supergau. BMW hat daraufhin umgedacht und Lookbooks entwickelt, die mit Hardcover, Schweizer Broschur, Prägeelementen und stimmungsvollen Fotos mehr auf Design und Haptik als auf technische Informationen setzten und in ihrer Wertigkeit derjenigen des beworbenen Produkts entsprachen. Hier hat bei BMW ein Umdenken von klassischer Printkommunikation zu einer wesentlich zielgruppenspezifischeren Printkommunikation stattgefunden.

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Mit Hardcover, Schweizer Broschur, Prägeelementen und stimmungsvollen Fotos setzt das BMW-Lookbook mehr auf Design und Haptik als auf technische Informationen. Die hohe Wertigkeit stimmt mit der des beworbenen Produkts überein.

Die BMW-Case ist demnach ein gutes Beispiel für Kongruenz, die in der Metastudie als besonders wichtig bezeichnet wurde, oder?

Rüdiger Maaß: Richtig! Multisensorische Verstärkung setzt Kongruenz voraus. Das Werbemittel muss die Botschaft der Marke weitererzählen können. Im Falle von BMW z.B. durch hochwertiges, schweres Papier und eine edle Prägung, was mit Qualität, Relevanz, Bedeutsamkeit etc. assoziiert wird. Ich wecke mit dem Printprodukt eine bestimmte Erwartungshaltung, die am POS erfüllt wird. Ist das nicht der Fall, entsteht eine Dissonanz. Dann habe ich vielleicht geile Werbung gemacht, aber nicht für mein Produkt.

Besonders bei Ad Specials und Mailings kommen Elemente ins Spiel, die Interaktion erzeugen. Was gibt es hier für Möglichkeiten, und welche Wirkmechanismen stecken dahinter?

Rüdiger Maaß: Ich möchte den Empfänger dazu bringen, mit dem Printprodukt zu interagieren, dazu muss ich seine Neugierde wecken. Das gelingt z.B. durch Falt- und Öffnungsmechanismen, Aufreißelemente oder Rubbelfelder, wie man sie von klassischen Rubbellosen kennt, und selbstverständlich auch durch die Integration von Produkten wie z.B. einem Gummibärchentütchen. Digitale Erweiterungen mittels QR-Codes oder NFT-Tags laden ebenfalls zur Interaktion ein. Aber auch eine gut gemachte klassische Blindprägung wirkt – man sieht die Dimensionalität und möchte es sofort anfassen. Das steckt einfach in uns drin. All diese Dinge animieren zum Erkunden. Die Beschäftigung mit dem Produkt und die Bewegungen, die man dabei macht, erhöhen die Erinnerungsleistung. Wir nennen das Interactive Print und Experience Print.

Was haben Sie selbst zuletzt eingesetzt, um z.B. auf eigene Veranstaltungen aufmerksam zu machen?

Rüdiger Maaß: Für die letzte Ausgabe der von uns organisierten Print & Digital Convention haben wir ein Mailing konzipiert, das mittels Lentikulartechnik die Aufmerksamkeit auf einen integrierten NFC-Tag gelenkt hat. Das Mailing vermittelt den Empfänger:innen sofort: Wir sind technisch affin. Zudem funktioniert der Tag als Medienbrücke und liefert weitere Inhalte auf digitaler Ebene. Das zeigt gut, dass sich analoge und digitale Werbemaßnahmen nicht gegenseitig ausschließen müssen. Ein weiterer wichtiger Aspekt für uns: Wir sehen die Öffnungsrate, das Mailing ist trackbar.

Für Journalist:innen haben wir zuletzt zusammen mit dem Unternehmen Audio Logo eine personalisierte VIP-Pressebox umgesetzt. In der Box war ein Videomonitor, auf dem ein Film abgespielt wurde, der die Journalist:innen namentlich angesprochen hat. Hier sind wir im Bereich Individual Print und Surprise Print.

Selbst Düfte lassen sich über Papier transportieren …

Rüdiger Maaß: Düfte können über spezielle Lacke auf Papier aufgebracht werden. Der Lack duftet entweder von Anfang an, oder der Geruch entfaltet sich durch winzig kleine Duftkapseln erst nach mechanischer Beanspruchung, also Berührung. Es gibt Standardaromen wie Kaffee oder Erdbeere, es können aber auch individuelle Düfte umgesetzt werden. Das Unternehmen Touchmore hat beispielsweise vor einigen Jahren für den Kreuzfahrtanbieter Aida Cruises ein Mailing mit einem nach Sonnenmilch duftenden, flauschigen Mini-Handtuch konzeptioniert. Das Stoffstück erinnerte die Empfänger:innen gleich auf mehreren Sinnesebenen an ihren letzten Urlaub und machte dabei auf neue Reiseangebote aufmerksam.

Dank modernster Technologien können im Print auch optische Effekte von Dreidimensionalität oder Beweglichkeit erzeugt werden. Solche Sonderproduktionen sind mit entsprechenden Kosten verbunden. Lohnt sich das?

Rüdiger Maaß: Mit Hologrammen oder Lentikular-Applikationen – umgangssprachlich Wackelbilder genannt – umgesetzte Objekte ziehen die Aufmerksamkeit auf sich, wirken besitzergreifend, stark physisch präsent und damit authentisch. Ein Beispiel aus dem Bereich Onpack-Promotion: Wer im Supermarkt mit einem quengelnden Kind vor dem Kühlregal steht und die Wahl zwischen 50 Joghurts hat, kauft den Joghurt, bei dem ein Wackelbild dabei ist – und zwar nicht nur einmal. Die Investition in solch eine Darbietungsform lohnt sich hier also definitiv.

Welche Drucktrends sind aktuell auf dem Vormarsch?

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Multisensorisch optimiertes „Welcome Back“-Mailing von Touchmore für Aida Cruises. Das flauschige Mini-Handtuch duftet nach Sonnenmilch und erinnert die Empfänger:innen damit an unbeschwerte Urlaubstage.

Rüdiger Maaß: Eine relativ junge Disziplin ist das Programmatic Printing, also das Zuschneiden von Marketingmaterial auf einzelne Kund:innen mit Hilfe statistischer Daten wie Adresse, Geburtstag, Interessen u.s.w. Mit der automatisierten Produktion von personalisierten Print-Produkten wird das, was online so gut funktioniert, auf Print übertragen – z.B. das Vorschlagswesen: Kund:innen, die sich für diese Marke interessieren, interessieren sich auch für folgende Marken. Jemand, der z.B. online seinen Warenkorb nicht abgeschickt hat, hat 24 Stunden später einen Flyer in der Post, der an das Unternehmen und seine Produkte erinnert. Das geht so weit, dass ein Mailing mit einer Geo-Individualisierung ausgestattet werden kann, die jede:n Empfänger:in mit einer individuell aufgedruckten Wegführung zu einem bestimmten Ziel leitet.

Ebenfalls spannend ist das Feld Printed Electronics, bei dem elektronische Elemente aufs bzw. ins Papier gebracht werden. Batterien, Leiterbahnen und LEDs lassen sich mittels Drucktechniken auf Papier applizieren, um so z.B. Leuchteffekte zu erzeugen.

Um noch einen bislang gar nicht angesprochenen Aspekt aufzugreifen: Welche Rolle spielen Verpackungen?

Rüdiger Maaß: Verpackungen sollen da eingesetzt werden, wo sie Sinn machen. Eine Weinflasche am POS benötigt ebenso wenig einen Umkarton, wie eine Ananas oder Banane erst geschält und dann wieder verpackt werden sollte. Wenn ich aber eine Weinflasche verschenken möchte, dann kann ich dem Präsent mit einer Verpackung einen individuelleren und exklusiveren Touch verleihen. Es gibt auch Produkte, die schreien förmlich nach einer Verpackung, wie z.B. ein iPhone oder eine Apple Watch. Das Unboxing-Erlebnis erhöht die Vorfreude, das Produkt endlich in den Händen zu halten. Das Design und Gewicht des Kartons oder auch der spezielle Sound beim Öffnen der Schachtel sind Teil des Markenerlebnisses. Optik und Haptik der Verpackung werden ganz klar mit der Produktleistung in Zusammenhang gebracht. Darüber hinaus haben Verpackungen bestimmte Funktionen wie z.B. Informationsvermittlung, Schutz des Produkts oder Stapelbarkeit, um nur einige von zahlreichen weiteren Aspekten zu nennen. Wir könnten locker ein komplettes Interview nur über das Thema Verpackung führen.

Welchen Raum wird haptische Kommunikation im Marketing der Zukunft einnehmen?

Rüdiger Maaß: Gegenständliche Kommunikation kommt dem Nutzungsverhalten von Menschen zu 100% entgegen. Das Bedürfnis nach Haptik steckt in uns, und das wird sich in den nächsten Jahrhunderten auch nicht ändern. Print hat so viel zu bieten, dass wir im Bereich der Markenkommunikation auf allen Ebenen mitmischen können. Die wichtigste Aufgabe der grafischen Industrie ist es dabei, die Vielfalt der Möglichkeiten zukünftig noch besser zu präsentieren, sodass der hohe Nutzen von Print für Kommunikationsentscheider:innen auch deutlich wird.


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Der Fachverband Medienproduktion e.V. (f:mp.) hat sich der Wahrung und Förderung der Interessen aller Prozessbeteiligten innerhalb der Medienproduktion verschrieben. Der 1993 gegründete Branchenverband widmet sich im besonderen Maße der Stärkung der Kompetenz und Positionierung von Medienproduktioner:innen im Markt sowie der Ausund Weiterbildung. Zu den rund 460 Mitgliedern zählen neben Freiberufler:innen und mittelständischen Unternehmen auch internationale Konzerne wie Canon, Xerox oder Konica Minolta.

// Mit Rüdiger Maaß sprach Jasmin Oberdorfer. 

Bildquelle: f.m.p. (9), Multisense Institut (1)

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